Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
einem Roman von Graham Greene stammen könnten. Der Stil ist kolonial und dekadent. Die Fassaden sind von Feuchtigkeit und Ruß überzogen. Der Putz sitzt locker, und die Fenster sind so marode, dass man sich fragt, wieso die Scheiben nicht aus dem Rahmen fallen. Es ist fast so, als hätte man einige der schönsten Pariser Stadtteile in die Tropen versetzt und sie dann ein halbes Jahrhundert verrotten lassen. Anfang des neuen Jahrtausends wurden ein paar der alten Viertel abgerissen, um Platz für moderne Bürogebäude und Hotelkomplexe zu schaffen. Ein paar Jahre später wurden Kampagnen zur Bewahrung der historischen Viertel im Zentrum Ranguns ins Leben gerufen. Das Land sollte das touristische Potential seines alten kolonialen Erbes besser ausnutzen, als die Viertel zu zerstören. Einer der Verantwortlichen für die Kampagne ist Thant Myint U, der Enkel von U Thant, dem ehemaligen UN-Generalsekretär.
Wir kamen an ein paar jungen Männern vorbei, die auf dem Schwarzmarkt US-Dollar tauschten.
»Change money? Good rate for you!«
Niemand in Burma vertraute mehr der einheimischen Ökonomie, die Inflation war horrend, und der Dollar war zur meistbegehrten Währung geworden. Als ich Mitte der 1990er Jahre zum ersten Mal nach Burma gekommen war, hatte man auf dem Schwarzmarkt 250 Kyat für einen Dollar bekommen. Im Januar 2010 bekam man das Vierfache. Die immer stärker kollabierende Wirtschaft wird von vielen als entscheidender Faktor im Hinblick auf die späteren Veränderungsprozesse betrachtet, als das Regime große Anstrengungen unternahm, um die internationale Gemeinschaft zu besänftigen und ausländische Investoren ins Land zu holen.
Jetzt waren wir auf dem Weg zu einem Teehaus, um Zaw Zaw zu treffen, ein früheres NLD -Mitglied, der sich nun kurz und knapp als Aktivist bezeichnete.
Ein Treffen mit Aung San Suu Kyi war im Januar 2010 noch völlig undenkbar. Seit Mai 2003 hatte sie keine Journalisten empfangen können. In der letzten langen Periode des Hausarrestes hatte sie ohnehin nicht viele Menschen treffen können. Sie begegnete ihren Ärzten, ihren beiden Hausangestellten, manchmal einem Parteikollegen und seltener auch mal einem Vertreter der UN.
Razali Ismail erhielt im Herbst und im Winter 2003/2004 einige Male die Erlaubnis, sie zu besuchen. Bei der ersten Begegnung verfasste Suu Kyi eine Liste mit den Namen der jungen NLD -Aktivisten, die in Depayin dabei gewesen waren. Sie bat Razali zu prüfen, ob sie in Sicherheit wären oder, wenn sie verhaftet worden waren, von den Behörden gut behandelt würden.
»Es war tragisch«, sagte Debbie Stothard, die die Liste von Razali erhielt. »Wer sollte ihr beibringen, dass viele der jungen Leute in Depayin ums Leben gekommen waren?«
Ab März 2004 wurden weitere Besuche untersagt. Razali durfte nicht mehr einreisen und gab im Januar 2006 aus Protest gegen die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Junta seinen Posten als UN-Sondergesandter auf. Er wurde von Ibrahim Gambari ersetzt, einem nigerianischen Politiker, der keine besonderen Kenntnisse über Burma hatte und dem es bis zu Ende seiner Amtszeit nicht gelang, die Fassade der Junta aufzubrechen.
Für General Khin Nyunt, der der dritte Gesprächsteilnehmer in einem sinnvollen Dialog hätte werden können, wurde die Zeit nach Danabyu zu einer machtpolitischen Achterbahnfahrt. Khin Nyunt hatte bisher alles überstanden, und trotz seiner offensichtlichen Konflikte mit Juntaführer Than Shwe wurde er im August 2004 zum Premierminister ernannt. Seine erste Maßnahme war die Verabschiedung eines »Fahrplans zur Demokratie«. In der Praxis handelte es sich dabei um einen Wiederaufguss des Planes, den er bereits in den 1990er Jahren lanciert hatte. Zunächst rief er erneut den nationalen Konvent zusammen, dessen Aufgabe noch immer in der Erarbeitung einer neuen Verfassung bestand. Dann versprach die Junta, dass noch einmal eine Wahl abgehalten werden sollte.
Parallel dazu sollte sich die wirtschaftliche Liberalisierung fortsetzen, doch innerhalb der Junta wurde die starke, in den 1990er Jahren entstandene Abhängigkeit von China immer stärker hinterfragt. Indien und andere asiatische Länder übten Druck aus, um sich Marktanteile, insbesondere in der wachsenden Öl- und Gasindustrie zu sichern, da es an den Küsten zu großen Funden gekommen war. Than Shwe und der zweite Mann der Junta, Maung Aye, waren der Ansicht, dass Khin Myunt, der einen chinesischen Hintergrund hatte, viel zu sehr auf seine gute
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