Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
Erfordernis eines Dialogs – eine Thematik, die in Aung San Suu Kyis Rhetorik im Laufe der Jahre immer wieder aufgetaucht ist. Die Generäle jedoch betrachteten diesen Brief als reine Provokation. Der jahrzehntelange Konflikt zwischen Suu Kyi und dem Militär wurde hierdurch eingeleitet.
Gleichwohl sah sich Aung San Suu Kyi in dieser Situation noch nicht als Anführerin der Demokratiebewegung. Einige Tage nach dem 8. August traf Suu Kyi mit Vertretern eines Fachverbandes zusammen, der sich aus den Dozenten an der Universität Rangun zusammensetzte. Sie hatten ihren Brief an die Junta gelesen und forderten sie jetzt auf, die Rolle der Oppositionsführerin zu übernehmen.
»Sie hatte große Zweifel«, berichtete einer der Teilnehmer, als ich ihm viele Jahre später in Bangkok begegnete. »Sie erklärte, dass sie keine Politikerin sei. Allerdings konnte sie sich vorstellen, zwischen den Demonstranten und der Militärjunta zu vermitteln.«
Das verwohnte weiße Steinhaus am Inya See wurde dennoch bald zu einem Zentrum für die wachsende Demokratiebewegung. Aktivisten, Journalisten und Studentenführer scharten sich um Aung San Suu Kyi, ja sogar eine Gruppe älterer Staatsmänner – Überläufer von der Junta, die sich schon lange eine andere Entwicklung für ihr Land wünschten. U Tin Oo, der ehemalige Verteidigungsminister, und U Kyi Maung, der in den 1940er Jahren mit Aung San gegen die Briten gekämpft hatte, waren die prominentesten Vertreter der ehemaligen Machthaber, die sich nun für die Demokratiebewegung einsetzten. Beide waren in den 1940er Jahren zur Armee gekommen und hatten während der demokratischen Periode dem Land als Offiziere gedient. U Kyi Maung hatte das Militär 1963 verlassen, ein Jahr nach dem Militärputsch, während U Tin Oo die Junta im Zusammenhang mit der brutalen Niederschlagung der Studentenproteste verließ, die sich anlässlich der Beisetzung von U Thant 1974 abgespielt hatten. Beide Politiker hatten sich zu Kritikern Ne Wins entwickelt und mehrere Jahre im Gefängnis verbracht. Und für beide war es eine große Sache, dass General Aung Sans Tochter sich nun auf die Seite der Opposition stellte. »Ich kannte ihren Vater«, sagte U Tin Oo in einem Interview, »und sie erinnert mich sehr an ihn. Allein die Art, wie sie lacht oder den Kopf neigt. All ihre Gesten ähneln seinen.«
Inmitten all dessen, der tropischen Hitze der Regenzeit, der Gewalt auf den Straßen und dem immer häufiger frequentierten Haus in der University Avenue, befand sich Suu Kyis Familie. Michael Aris hat diese Monate in Rangun einige Jahre später mit großem Mitgefühl in dem Buch
Freedom from fear
geschildert:
»Trotz der hektischen Aktivität verlor das Haus nie seine warme, liebevolle Atmosphäre. Wie immer man es beurteilen mag, so ist Suu doch eine einzigartige Person, das kann ich nach 20 Ehejahren mit Sicherheit sagen. Dennoch weiß ich nicht, wie sie es schaffte, sich gleichzeitig um ihre Kinder und die Pflege ihrer im Sterben liegenden Mutter zu kümmern und all den Menschen gerecht zu werden, die sie jetzt zur Anführerin im Kampf für Demokratie und Menschenrechte gemacht hatten. Das hatte sicher etwas mit ihrem starken Verantwortungsgefühl und ihrer klaren Definition von Richtig und Falsch zu tun. Eigenschaften, die anderen wie ein tödliches Gewicht auf den Schultern liegen, trägt sie mit größter Anmut.«
Das Blutbad am 8. August hinderte die Menschen nicht daran, mit ihren Demonstrationen fortzufahren. Sie trotzten den Maschinengewehren und begaben sich erneut auf die Straßen. Schließlich kam das Militär zu dem Schluss, dass es seine Strategie ändern müsste. Sein Lwin wurde als Präsident und Führer der Junta abgesetzt und von dem bekannten Historiker Maung Maung abgelöst, der unter anderem eine schmeichlerische Biographie über den Diktator Ne Win verfasst hatte. Zum ersten Mal seit dem Putsch 1962 stand ein Zivilist an der Spitze der politischen Führung. Der Ausnahmezustand wurde aufgehoben, und Maung Maung löste Ne Wins Versprechen hinsichtlich einer Volksbefragung zur politischen Zukunft des Landes ein.
Am 26. August 1988 hielt Aung San Suu Kyi eine große öffentliche Rede an der Shwedagon-Pagode. Ein paar Tage zuvor war sie bereits vor dem Rangoon General Hospital in Erscheinung getreten, doch war dieser Auftritt eher eine Generalprobe. Jetzt war es keine Probe mehr. Der Ort war mit großer Sorgfalt ausgewählt worden, so dass niemand die Symbolik übersehen konnte. Die
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