Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
verloren, ja vielleicht sogar ihr Land, und hatte ihre neue Rolle im Leben noch nicht gefunden.«
Anfang der 1980er Jahre war die arbeitsintensivste Zeit mit den kleinen Kindern überstanden, und langsam erwog Suu Kyi die Möglichkeiten, ihre berufliche Karriere fortzusetzen. Schon als Kim noch ein Säugling gewesen war, hatte sie ein paar Stunden in der Woche beim Aufbau der burmesischen Abteilung der Bodleian-Bibliothek an der Universität zugebracht und sogar Burmesisch-Unterricht für die Angestellten organisiert. Einige Jahre später war sie zusammen mit Michael Aris als Lektorin für die Anthologie
Tibetan studies in honour of Hugh Richardson
zuständig. Danach fing sie selbst an zu schreiben und machte so die ersten Schritte in Richtung des alten Traumes, nämlich Schriftstellerin zu werden. In kurzen Abständen publizierte sie die Jugendbücher
Let’s visit Bhutan, Let’s visit Burma
und
Let’s visit Nepal
, drei Länder, die sie selbst sehr gut kannte, die jedoch für die meisten Europäer völlig unbekannt waren. Die Bücher waren einfache, leicht zu verstehende Einführungen, die die politischen Systeme der Länder oder Verstöße gegen Demokratie und Menschenrechte völlig außer Acht ließen. Es ging ausschließlich um Geschichte, Kultur und Religion.
In dieser Zeit Ende der 1970er bzw. Anfang der 1980er Jahre wollte Suu Kyi auch die Geschichte ihres Vaters besser kennenlernen. Aung San hatte niemals aufgehört, sie zu faszinieren und ihre Entscheidungen im Leben zu beeinflussen. »Als junge Mutter in Oxford lernte sie manchmal ältere britische Kolonialbeamte kennen, die sich bei Kriegsende in Burma aufgehalten hatten«, berichtet Peter Carey. »Sie fragte immer, ob sie General Aung San gekannt hatten oder ihm begegnet waren. Wie war er? Wie hatte er ausgesehen? Einer der Beamten erzählte, ihr Vater habe dem Schauspieler Yul Brunner geähnelt. Diese Vorstellung gefiel ihr sehr.«
1984 kam
Aung San of Burma
heraus. Diese kurze Biographie ihres Vaters wurde im Rahmen einer Reihe über asiatische Politiker bei der University of Queensland Press herausgegeben. Im Gegensatz zu den Kinder- und Jugendbüchern ist der Text über Aung San politisch gefärbt. Schon zu diesem Zeitpunkt, also vier Jahre vor ihrem Eintritt in die Demokratiebewegung, ist ihre Bemühung erkennbar, die Interpretation der Bedeutung Aung Sans und somit auch der postkolonialen Geschichte Burmas nicht allein der Militärjunta zu überlassen. Zwar erwähnt sie die revolutionäre Seite ihres Vaters sowie seine Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit den Japanern, betont jedoch in erster Linie seinen Pragmatismus und die Tatsache, dass er die Armee verlassen hatte, um seine Rolle als ziviler Politiker in einem demokratischen System zu übernehmen.
Durch das Erscheinen des Buches war Aung San Suu Kyi auf den Geschmack gekommen und wollte nun erneut eine akademische Laufbahn einschlagen. Michael hatte seine Forschung an die School of Oriental and African Studies in London verlegt, und hier bewarb sich auch Suu Kyi.
Die unterschiedlichen akademischen Projekte führten in der Folge zu einer erneuten räumlichen Trennung. Michael ging im Rahmen eines Austauschprojekts in die alte indische Kolonialstadt Simla, und Suu Kyi erhielt die Möglichkeit, für 18 Monate an der Universität von Kyoto zu arbeiten. Hier wollte sie mehr über die Kontakte zwischen Burma und Japan während des Zweiten Weltkriegs herausfinden und beabsichtigte sogar, japanische Kriegsveteranen zu interviewen, die ihren Vater gekannt hatten.
Fremdsprachen waren Aung San Suu Kyi schon immer leicht gefallen, und vor ihrer Abreise tat sie nun alles, um Japanisch zu lernen. Der Schriftsteller Justin Wintle beschreibt, wie sie das Badezimmer der Wohnung in Oxford in ein Sprachlabor verwandelte. Über die Badezimmerwände verteilt hingen unzählige Zettel mit japanischen Wörtern und Ausdrücken, so dass sie zu jeder Tageszeit dort hingehen und sie immer wieder ansehen und wiederholen konnte. Dennoch war es eine zeitraubende und mühsame Arbeit; Japanisch fiel ihr schwerer als jede andere Sprache, die sie gelernt hatte.
Als sie Jahre später in Rangun unter Hausarrest stand, nahm sie ihre Sprachstudien wieder auf. Mit Hilfe von Büchern, die Michael ihr schickte, frischte sie ihre Französisch- und Japanischkenntnisse wieder auf.
Kim folgte seiner Mutter nach Japan, während Michael Alexander mit nach Simla nahm. Kim war zu jener Zeit gerade mal sieben Jahre alt, und weder
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