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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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griechische Fußsoldaten hinwegholpern, und Diomedes müsste nun schon vom Streitwagen springen und es zu Fuß mit Tausenden von Trojanern aufnehmen, um gegen Hektor zu kämpfen. Er entscheidet sich dagegen.
     
    »Wenn du unser Schicksal ändern willst, musst du den Angelpunkt finden«, hatte Helena an jenem Morgen gesagt.
    Dann hatte sie mich nach meinen Ilias- Kenntnissen gefragt – obwohl es für sie das Zukunftswissen eines Orakels gewesen war – und mich gedrängt, den Angelpunkt der Ereignisse zu finden, jenen Punkt in dem zehnjährigen Krieg, um den sich alles drehte. Das Scharnier des Schicksals, sozusagen.
    An jenem Morgen hatte ich herumgedruckst und uns beide mit einem letzten Geschlechtakt abgelenkt, aber in den irrwitzigen Stunden, die seither verstrichen sind, habe ich über diese Frage nachgedacht.
    Wenn du unser Schicksal ändern willst, musst du den Angelpunkt finden.
    Ich würde meine Stelle als Homer-Spezialist darauf verwetten, dass der Angelpunkt dieser Tragödie bald kommt: die Gesandtschaft an Achilles.
    Bisher sind die Ereignisse mehr oder weniger dem Versepos gefolgt, obwohl Aphrodite und Ares durch ihre Verletzungen außer Gefecht gesetzt worden sind. Zeus hat ein Machtwort gesprochen und zugunsten der Trojaner eingegriffen. Ich habe nicht die Absicht, wieder zum Olymp zu qten, wenn es nicht sein muss, aber ich nehme an, dass Homers Geschichte auch dort ihren vorgezeichneten Verlauf nimmt – die Herrscherin Hera zürnt, weil ihre Danaer Prügel beziehen, und versucht, Poseidon zu überreden, ihnen zu helfen, aber der »weithin herrschende Erdenerschütterer« ist schockiert über das Ansinnen – er hegt nicht den Wusch, sich mit Zeus anzulegen. Später an diesem Tag, als die Griechen wirklich in die Flucht geschlagen werden, wird Athene sich nackt ausziehen, ihr bestes Panzerhemd anlegen und sich mit ihren Waffen rüsten – nun, ich gestehe, dafür könnte es sich wahrhaftig lohnen, zum Olymp zu qten.
    Iris, Zeus’ Botin, hält sie jedoch auf. Zeus’ Botschaft ist kurz und bündig:
    »Wenn ihr kommt, du und Hera, um sich mir im Kampf zu widersetzen, meine grauäugige Tochter, werde ich euch die hurtigen Pferde unter ihrem Joch lähmen, euch beide aus eurem Wagen werfen, den Wagen zerbrechen und euch mit meinen Blitzen so schreckliche Wunden schlagen, dass ihr zehn langsam umlaufende Jahre in den Genesungsbottichen liegt, bevor euch die grünen Würmer wieder zusammenflicken können.«
    Athene bleibt auf dem Olymp. Die Griechen erleiden nach ein paar Stunden erfolgreicher Gegenangriffe noch schwerere Verluste und fallen hinter ihre Befestigungsanlage zurück – einen Graben, den sie kurz nach der Landung vor zehn Jahren angelegt haben, und tausend angespitzte Pfähle; auf Agamemnons Befehl hin ist der Graben kürzlich vertieft und die Palisade wieder aufgebaut worden –, doch selbst hinter ihrem eigenen Wall verlieren die in Panik geratenen Achäer die Hoffnung und sprechen sich für die Heimfahrt aus.
    Agamemnon versucht sie aufzumuntern, indem er seinen Truppenführern ein großes Mahl bereiten lässt – zur gleichen Zeit, als Hektor und seine Heerscharen sich auf den letzten Angriff vorbereiten, bei dem sie ihrer festen Überzeugung nach die schwarzen Danaerschiffe einäschern und diesen Krieg ein für alle Mal beenden werden –, und bei diesem Festmahl des griechischen Königs erklärt Nestor, ihre einzige Hoffnung liege darin, dass Agamemnon sich wieder mit Achilles versöhnt.
    Agamemnon wird sich bereit erklären, Achilles eine königliche Buße zu entrichten: sieben Dreifußkessel, zehn Talente Gold, zwanzig funkelnde Becken, ein Dutzend Rosse, sieben schöne Frauen und ich weiß nicht mehr, was noch alles – vielleicht sogar ein Schloss im Mond. Was am wichtigsten ist, das Bestechungsangebot wird auch Briseus’ Tochter Briseis umfassen – die hübsche Sklavin, um die sich der ganze Streit drehte. Als rotes Bändsel um dieses Geschenk wird Agememnon zudem schwören, dass er nie mit Briseis ins Bett gegangen ist. Und als letzten Anreiz legt er noch sieben Städte drauf, griechische Königreiche: Kardamyle, Enope, Hira, Antheia, Pherai, Aipeia und Pedasos. Diese Städte gehören Agamemnon natürlich nicht, und er regiert sie auch nicht – er verschenkt die Länder seiner Nachbarn –, aber ich nehme an, der gute Wille zählt.
    Das Einzige, was Agamemnon Achilles nicht anbietet, ist eine Entschuldigung. Der Atreide ist noch immer zu stolz, um den Kopf zu neigen. »Er soll

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