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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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tötet!«
    »Caliban«, sagte Savi in beruhigendem Ton, »was ist den Nachmenschen hier zugestoßen?«
    Caliban begann zu weinen. Schleim lief ihm aus der Schnauze. »Setebos«, flüsterte er und blickte wieder zum Dach der Grotte hinauf, als hörte jemand zu. »Setebos befahl mir, den Kerlchen drei gesunde Beine statt des einen zu geben, oder aber auch das andere abzuzupfen und sie wie Eier liegen zu lassen. Wäre das nicht vergnüglich – hört, was ich Sterblicher sage –, Nemmies zu jagen, einen nach dem anderen, ihr Fleisch mit Maische hinunterzuspülen und mit angeregtem Hirn nach Belieben Lehm zu schaffen und zu zerstören? So auch Er. So auch Er!«
    »O mein Gott«, hauchte Savi. Sie sank auf ihren hohen, groben Stein zurück. Es sah aus, als dächte sie daran, in den stinkenden Teich unter ihr zu springen.
    »Was ist?«, flüsterte Daeman über Funk. »Was ist?«
    »Caliban hat die Nachmenschen tatsächlich getötet«, flüsterte sie. In diesem Abwasserlicht wirkte sie jetzt noch älter. »Auf Befehl dieses Setebos. Oder vielleicht auf Prosperos Befehl. Caliban scheint beide als Götter zu verehren. Vielleicht gibt es gar keinen Setebos, und er betet nur diese Prospero-Persona an.«
    Die Kreatur hörte auf zu schniefen und strahlte, ihre breite Mundklappe hob sich. »Denkt, dies ist ein Zeichen weder dass Er schlecht, noch dass Er gut ist, weder freundlich noch boshaft: Er ist stark und der Herr.«
    »Wer?«, fragte Savi. »Setebos oder Prospero? Wem dienst du, Caliban?«
    »Sagt, Er ist furchtbar«, brüllte Caliban und erhob sich nun auf seine Hinterbeine. »Seht seine Taten als Beweis! Ein Sturm zerstört die Hoffnung von sechs guten Monaten. Er kann mich nicht ausstehen, das weiß ich.«
    »Wer kann dich nicht ausstehen?«, fragte Harman.
    Daeman hielt es für verrückt, mit diesem verrückten Geschöpf zu reden. »Erschieß es«, flüsterte er Savi wieder zu. »Töte das Ding!«
    Savi hob die Schusswaffe ein wenig höher, richtete sie jedoch noch immer nicht auf Caliban.
    »Er denkt, die Nemmies brachten Wurmlöcher, und Setebos brachte die Würmer«, sagte Caliban. »Aus Maden schuf Prospero Götter, aus Stein schuf Setebos Prosperos Gesicht, und Zeks, die es an gute Plätze stellten. Meine Mutter behauptete, das Ruhige habe alle Dinge geschaffen, die Setebos jetzt quälen; Er hingegen meint, wer sie schwach schuf, dachte an Schwäche, die Er quälen könne. Hätte Er etwas anderes im Sinn gehabt, während Er bei der Arbeit war, warum hätte Er dann nicht Augen aus Horn gemacht, die kein Dorn verletzen könnte, oder ihre Kopfhaut mit einer Knochenschicht zum Schutz vor dem Schnee versehen, oder ihr Fleisch mit überlappenden Schuppen bedeckt wie den Panzer eines Orkas? Tja, aber so hätte er sich seinen Zeitvertreib genommen. Er ist jetzt der Eine, Er allein wirkt alles.«
    »Wer ist der Eine?«, fragte Savi.
    Caliban sah aus, als würde er gleich wieder weinen. »Mein geblendetes Vieh liebt den, der ihm Fleisch vor die Schnauze legt. Folglich gefällt es Setebos, zu schaffen, alle Seine Hände zu gebrauchen.«
    »Caliban«, sagte Savi leise und langsam, wie zu einem Kind, »wir sind müde und wollen nach Hause. Kannst du uns helfen, nach Hause zu kommen?«
    Der Blick des Ungeheuers schien sich nun auf etwas anderes als seinen Hass und Selbsthass zu richten. »Ja, meine Dame, Caliban kennt den Weg und wünscht dir Glück. Aber du und Er, wir wissen beide, wie Er ist, und dürfen nicht darauf bauen, des Ausgangs gewiss.«
    »Sag uns, wie …«, begann Savi.
    »Genauso macht es Caliban«, sagte Caliban mit wachsender Erregung. Er hockte auf den Hinterbeinen, seine langen Unterarme hingen herab, mit Dornen bewehrte Knöchel kratzten Moos vom Rohr. »Das ist das Spannende; finde es heraus oder stirb! Ihm gefallen und dies vermeiden? Wie es Prospero tut? Ha, wenn Er mir verraten würde, wie! Aber Er doch nicht!«
    »Caliban, wenn du uns den Weg nach Hause zeigst, können wir …«, setzte Savi an. Sie hatte die Waffe ein Stück erhoben.
    »Alle müssen sterben«, rief Caliban, spannte seine Schenkel und kratzte sich die Knöchel. »Er denkt, Prospero bringt den listenreichen Odysseus hierher, doch Setebos führt ihn in die Irre. Prospero schickt nächtliche Schreie zu Jove im Himmel empor und bringt die hohlen Männer zum Mars, aber Setebos bügelt es mit dem Zorn falscher Götter aus. Das ist das Spannende; findet es heraus oder sterbt!«
    Caliban hüpfte ans Ende des Rohrs, schlang seine Beine darum,

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