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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Kinderzimmers.
    »Was geht hier vor?«, verlangt Pallas Athene zu wissen, zweieinhalb Meter groß, mit arroganter Haltung und hochmütigem Ton und Blick.
    Die Muse zeigt auf mich. »Da ist er!«, schreit sie.
    Apollo spannt seinen silbernen Bogen.
     

46
Der Äquatorialring
    Calibans Nest war dunkel, feucht und warm, denn es lag versteckt inmitten der alten Rohre und des Faulgrubensystems unter der Oberfläche der Stadt. Der biotische Zerfall erwärmte die Grotte auf tropische Temperaturen, und es wimmelte darin von molchartigen Wesen, die zwischen Kürbispflanzen dahinhuschten. Caliban zerbrach dünnes Eis, schwamm durch ein Rohr im Erdreich des Asteroiden, kam in einer langen, schmalen Grotte heraus, hängte seine Ladung Gefangene an einen Haken, schlitzte das Netz auf, setzte die drei benommenen und widerstandslosen Menschen auf drei Felsbrocken drei Meter über einem blubbernden Teich und streckte sich auf einem mit Flechten überzogenen und mit Farnen überwachsenen Rohr aus. Die Kreatur planschte mit beiden Füßen im Schlick, stützte das Kinn auf ihre riesigen, geballten Fäuste und begutachtete Savi, Harman und Daeman.
    Daeman hatte sich in die Hose gemacht, als das Ungeheuer sie geschnappt hatte. Die Thermohaut absorbierte die Feuchtigkeit und trocknete fast sofort, sodass kein Fleck zurückblieb, aber Daemans Wangen röteten sich trotz seiner Angst, wenn er daran dachte.
    In Calibans Nest gab es Luft, und die Schwerkraft war höher als in der Stadt selbst. Die Kreatur riss ihnen so schnell die Osmosemasken herunter, ihr langer Arm peitschte so rasch vor und die klauenbewehrten Finger griffen mit solcher Geschwindigkeit zu, dass keiner von ihnen, nicht einmal der Letzte, noch Zeit hatte, sich zu ducken oder zurückzuweichen. Ihre Felsen erhoben sich wie schleimige Säulen über dem schwarzen Teich. Die Luft um sie herum roch widerwärtig nach Abwässern und war zum Schneiden dick. Caliban sog sie ein wie Ambrosia und zeigte hin und wieder seine gelben Zähne, als wollte er sie verspotten. Ein Teil des fischigen Geruchs in der Grotte ging von der Kreatur selbst aus.
    Daeman hatte die Calibani im Mittelmeerbecken für Furcht erregend gehalten, aber jetzt wusste er, dass sie nur schattenhafte Kopien der Schrecklichkeit dieses echten, ursprünglichen Caliban waren, falls er es denn war. Das Geschöpf war nicht größer als die Calibani, aber unendlich viel obszöner in seiner zähne- und testikelstarrenden Fleischigkeit. Auf den ersten Blick wirkte Caliban unbeholfen, beinahe tollpatschig, aber er war völlig mühelos durch die kalte, dünne Luft der toten Stadt geschwommen und hatte seine riesigen, mit Schwimmhäuten versehenen Füße und Hände dabei als wirksame Paddel benutzt. Er hatte das zusammengezogene Ende ihres Netzes mit seinem überdimensionalen Maul gepackt, und die spitzen Zähne darin hielten es fest, obwohl Savi, Harman und Daeman um sich schlugen und gegen das Netz traten.
    »Was hast du mit uns vor?«, fragte Savi, als die drei auf ihren Steinen über dem unterirdischen Teich vor Caliban hockten, der dalag und sie musterte. Daeman sah, dass sie sich die Schusswaffe zurückgeholt hatte, die zu ihnen ins Netz gefallen war, und dass sie in ihrer Hand lag, aber nicht auf Caliban gerichtet war. Erschieß ihn!, rief Daeman Savi in Gedanken zu. Töte dieses Ding!
    Caliban, der so nah vor ihren Steinsäulen lag, dass sein ebenso wie die Luft nach Verwesung stinkender Atem über sie hinwegstrich, zischte: »Er schlingt sich herab, um Haare und Bart kitzelnd zu berühren, mal fällt eine Blüte herab, mit einer Biene darin, mal eine Frucht, Schnapp und Biss.«
    »Er ist verrückt«, flüsterte Harman über ihre Funkverbindung.
    Caliban lächelte. »Er spricht mit sich selbst, wie es ihm gefällt, über jenen anderen, den seine Mutter Gott nannte. Denn über Ihn zu sprechen ärgert Ihn – ha, wenn Er nur wüsste! Und jetzt ist die Zeit zum Ärgern.«
    »Wer ist ›Er‹?«, fragte Savi. Ihre Stimme war sehr ruhig für jemanden, der in einer stinkenden Grotte hockte und einer Bestie auf Gnade und Ungnade ausgeliefert war. »Sprichst du von dir in der dritten Person, Caliban?«
    »Er ist Er«, sagte das flach hingestreckt auf seinem bemoosten Rohr liegende Monster leise, »außer wenn Er Setebos ist!« Bei der Erwähnung des Namens schmiegte sich Caliban enger an das Rohr, breitbeinig und spreizfüßig, und legte die Arme über den Kopf, als wollte er einen Schlag von oben abwehren. Etwas Kleines und

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