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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Gräben, Sonnenlicht schimmerte auf polierten Rüstungen. Tausend trojanische Bogenschützen auf den Brustwehren Iliums spannten ihre Bogen bis zur Belastungsgrenze. Ihre Pfeile waren zum Himmel gerichtet. Zwanzig weitere schwarze Schiffe stachen vom achäischen Lager aus in See. Mahnmut konnte sich nicht schnell genug um die eigene Achse drehen, um alles in sich aufzunehmen.
    In welche Richtung wandern die Meteorspuren?, fragte Orphu. Von Westen nach Osten, von Osten nach Westen oder von Norden nach Süden?
    Was spielt das für eine Rolle, verdammt noch mal, in welche Richtung sie wandern?, fauchte Mahnmut. Nein, warte, tut mir Leid. Sie kommen aus allen Himmelsrichtungen. Machen Kreuzschraffuren aufs Blau.
    Sind welche von ihnen auf Ilium gerichtet?, fragte Orphu.
    Ich glaube nicht. Nicht direkt. Moment, ich sehe etwas am Ausgangspunkt einer dieser Spuren … ich gehe näher ran … gütiger Himmel, das ist ein …
    Raumschiff?, sagte Orphu.
    Ja!, hauchte Mahnmut. Flossen, Hülle, donnerndes Triebwerk … es sieht wie die Karikatur eines Raumschiffs aus, Orphu. Es schwebt auf einer Säule aus gelber Energie. Die anderen Meteore sind ebenfalls Raumschiffe … einige bleiben am Himmel stehen … eins kommt herunter. Uh-oh.
    Schon wieder uh-oh?, klagte Orphu.
    Dieses schwebende Raumschiff scheint zu landen, sagte Mahnmut. Und vier oder fünf der kleineren schwarzen Flugmaschinen auch.
    So? Die Stimme des Ioniers klang ruhig, vielleicht sogar belustigt.
    Sie landen auf dem Hügel ganz in deiner Nähe! Fast auf dir drauf, Orphu! Bleib, wo du bist, ich komme! Mahnmut begann auf allen vieren mit Höchstgeschwindigkeit zu dem Hügel zu laufen, wo der gelbe Abgasstrahl des Raumschiffs Staub und kleine Steine dreißig Meter hoch aufwirbelte. Als die verschiedenen Flugmaschinen unmittelbar neben dem Amazonengrab herunterkamen, wurde die Staubwolke so dicht, dass er Orphu nicht mehr sehen konnte. Die stacheligen Flugmaschinen fuhren eine komplizierte dreibeinige Landevorrichtung aus. Die Waffen der landenden Hornissenschiffe schwenkten hin und her und richteten sich dann auf Orphu. Mahnmut sah es, kurz bevor er in den Staubsturm hineingaloppierte und gar nichts mehr sah.
    Ich gehe nirgends hin, sendete Orphu. Aber verstauch dir keinen Servomechanismus beim Laufen, alter Freund. Ich glaube, ich weiß, wer diese Burschen sind.
     

60
Äquatorialring
    Als er im Dunkeln mit Caliban über die Terrasse rollte, hatte Daeman das Gefühl, dass ihm das Monster den Arm abzureißen versuchte. Und so war es auch – das Monster wollte ihm tatsächlich den Arm abreißen. Nur die Metallfasern in der Thermohaut und die automatische Reaktion des Anzugs, der alle Risse abdichtete, hinderten Caliban daran, Daeman mit den Zähnen das Fleisch vom Arm zu fetzen und dann die Knochen auseinander zu reißen. Aber der Anzug würde Daeman nicht lange schützen können.
    Der Mensch und das Menschentier krachten in Tische, rollten zwischen Nachmenschenleichen umher, prallten in der Mikroschwerkraft von einem Träger und einer Glaswand ab. Caliban ließ nicht los; er presste Daeman mit langen Fingern und mit Schwimmhäuten versehenen Greifzehen an sich. Auf einmal lockerte die Kreatur ihre Kiefer, warf den geifernden Kopf in den Nacken und schnappte wieder nach Daemans Hals. Daeman blockierte den Vorstoß erneut mit dem rechten Unterarm, wurde wieder bis auf den Knochen gebissen und stöhnte laut, als sie zum Terrassengeländer zurückgeworfen wurden. Trotz der automatischen Abdichtung des Anzugs spritzte Blut in Form kleiner Kügelchen heraus, die beim Aufprall auf Daemans Anzug oder Calibans schuppiger Haut platzten.
    Eine Sekunde lang hingen sie am Terrassengeländer fest, und Daeman starrte in Calibans gelbe Augen, die nur Zentimeter von seinen entfernt waren. Er wusste, wenn sein durchbissener Unterarm nicht im Weg wäre, würde Caliban durch seine Osmosemaske beißen und ihm auf der Stelle das Gesicht abreißen, aber was Daeman in diesem Augenblick wirklich durch den Kopf ging, war ein schlichter Satz und eine erstaunliche Tatsache: Ich habe keine Angst.
    Keine Klinik stand parat, um seinen hingefaxten toten Körper binnen achtundvierzig Stunden wiederherzustellen, keine blauen Würmer warteten mehr auf Daeman – was immer als Nächstes geschah, es würde endgültig sein.
    Ich habe keine Angst.
    Daeman sah die Ohren des Tieres, die geifernde Schnauze, die schuppigen Schultern, und ihm wurde erneut bewusst, wie fleischlich und fleischig Caliban

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