Ilium
»Wir waren damals mit einer größeren Gruppe unterwegs, aber ich weiß noch, dass der Burning-Man-Knoten eine hohe Nummer hatte – eine, zu der ich noch nie gefaxt war.«
»Und wie alt warst du damals?«, sagte Daeman spöttisch. »Siebzehn?«
»Ein bisschen älter«, erwiderte Hannah in gelassenem Ton. Wo Daeman bleich und schwabbelig war, spielten bei Hannah Muskeln unter gebräunter Haut. Daeman trat einen Schritt zurück, als hätte er diesen Unterschied bemerkt, obwohl er noch nie gehört hatte, dass zwei Menschen außerhalb des Turin-Tuch-Dramas körperlich miteinander kämpften.
Ada ignorierte den zänkischen Wortwechsel, ging zum Rand des Pavillons und legte die schlanken Finger an das Kraftfeld. Es kräuselte sich und beulte sich ein wenig aus, gab jedoch nicht nach. »Es ist geschlossen«, sagte sie. »Wir können nicht raus.«
»Unsinn.« Harman kam zu ihr, und die beiden drückten, stießen und lehnten sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen den elastischen, aber letztendlich unnachgiebigen Energieschild. Er war doch nicht halb durchlässig – zumindest nicht für physische Objekte wie Menschen.
»So etwas habe ich noch nie gehört.« Hannah gesellte sich zu ihnen und stemmte sich mit der Schulter gegen die unsichtbare Wand. »Welchen Sinn hat ein Kraftfeld um einen Fax-Pavillon?«
»Wir sind gefangen!«, sagte Daeman und verdrehte die Augen. »Wie Ratten.«
»Schwachkopf«, sagte Hannah. Die beiden schienen heute nicht gut miteinander auszukommen. »Du kannst doch jederzeit wegfaxen. Das Portal ist direkt hinter dir, und es funktioniert noch.«
Wie zum Beweis dafür kamen zwei kugelrunde Allzweck-Servitoren durch das schimmernde Faxportal und schwebten auf die Menschen zu.
»Dieses Feld lässt uns nicht durch«, beschwerte sich Ada bei den Servitoren.
»Ja, Ada Uhr«, sagte eine der Maschinen. »Wir bedauern, dass wir nicht rechtzeitig hier waren, um Ihnen zu helfen. Dieser Faxknoten wird … selten benutzt.«
»Na und?« Harman verschränkte die Arme und schaute den ersten Servitor finster an. Die andere Kugel war zu einem der Ausrüstungsfächer in der weißen Säule des Pavillons geflogen. »Seit wann sind Faxknoten verschlossen?«, fuhr Harman fort.
»Ich entschuldige mich noch einmal, Harman Uhr«, sagte der Servitor mit der beinahe männlichen Stimme sämtlicher Allzweck-Servitoren auf der ganzen Welt. »Das Klima draußen ist zu dieser Jahreszeit äußerst ungastlich. Wenn Sie sich ohne Thermohaut hinauswagen würden, wären Ihre Überlebenschancen sehr gering.«
Der zweite Servitor nahm vier Thermohäute aus dem Fach, schwebte der Reihe nach zu den vier Menschen und reichte jedem von ihnen einen der nicht einmal papierdünnen Molekularanzüge.
Daeman hielt den Anzug in beiden Händen und machte ein verwirrtes Gesicht. »Ist das ein Scherz?«
»Nein«, sagte Harman. »Ich habe schon mal einen getragen.«
»Ich auch«, sagte Hannah.
Daeman faltete die Thermohaut auseinander. Es war, als hielte er Rauch in den Händen. »Der passt nicht über meine Kleidung.«
»Das soll er auch nicht«, sagte Harman. »Man muss ihn direkt auf der Haut tragen. Er hat auch eine Kapuze, aber man kann durch sie hindurch sehen und hören.«
»Können wir unsere normalen Sachen drüberziehen?«, fragte Ada. In ihrer Stimme lag ein Hauch Besorgnis. Nach ihrem fruchtlosen Exhibitionismus in der Nacht zuvor war sie nun nicht sonderlich abenteuerlustig. Jedenfalls nicht, wenn es um Nacktheit ging.
Der erste Servitor antwortete. »Abgesehen von der Fußbekleidung ist es nicht ratsam, weitere Schichten zu tragen, Ada Uhr. Wenn die Thermohaut optimal wirksam sein soll, muss sie vollkommen osmotisch bleiben. Weitere Kleidungsstücke reduzieren ihre Effizienz.«
»Das ist doch wohl ein Witz«, sagte Daeman.
»Wir könnten jederzeit nach Hause faxen und unsere wärmsten Wintersachen holen«, sagte Harman. »Aber ich bin nicht sicher, dass sie den Bedingungen dort draußen gewachsen wären.« Er schaute zu der schimmernden Kraftfeldwand hinüber. Das erschreckende Heulen des Windes dahinter war sehr gut zu hören.
»Nein«, sagte der zweite Servitor. »Normale Jacken, Mäntel und Umhänge würden hier im Trockental nicht ausreichen. Wir können aber dezentere Extremwetterkleidung anfertigen und in einer halben Stunde damit zurückkommen, wenn Ihnen das lieber ist.«
»Zum Teufel damit«, sagte Ada. »Ich will sehen, was da draußen ist.« Sie ging zur Mitte des Pavillons, hinter das eigentliche Faxportal,
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