Illuminati
synchronisierender Kameras, mit denen sie einen Thunfischschwarm beobachtet hat.«
Langdon suchte in Kohlers Gesicht nach einer Spur von heimlichem Humor. Einstein und Thunfisch? Allmählich fragte er sich, ob die X-33 ihn vielleicht versehentlich auf einem anderen Planeten abgesetzt hatte.
Einen Augenblick später kam Vittoria Vetra in sein Blickfeld, und Robert Langdon erkannte, dass die Überraschungen des heutigen Tages noch längst nicht zu Ende waren. Miss Vetra sah in ihren Khakihosen und dem weißen ärmellosen Top überhaupt nicht wie eine gelehrte Physikerin aus. Geschmeidig und elegant, groß gewachsen, sonnengebräunt und mit langem schwarzen Haar, das im Wind der Rotoren flatterte, stieg sie aus dem Hubschrauber. Ihr Gesicht war unverwechselbar italienisch – nicht atemberaubend schön, aber mit markanten Zügen, die selbst auf zwanzig Meter Entfernung eine unverhüllte Sinnlichkeit verrieten. Die an ihrer Kleidung zerrenden Luftströmungen betonten ihren schlanken Leib und die kleinen Brüste.
»Miss Vetra ist eine Frau mit beeindruckender persönlicher Ausstrahlung«, sagte Kohler, dem nicht entging, wie sehr Langdon von ihrem Anblick gefesselt war. »Sie verbringt manchmal Monate in gefährdeten Ökosystemen, um dort zu arbeiten und zu forschen. Sie ist strenge Vegetarierin und unser Guru in Hatha-Yoga.«
Hatha-Yoga?, sinnierte Langdon. Die alte buddhistische Kunst meditativer Dehnübungen erschien ihm als ein überraschendes Hobby für eine Physikerin und Tochter eines katholischen Priesters.
Langdon beobachtete, wie sie näher kam. Sie hatte offensichtlich geweint; ihre großen schwarzen Augen waren voller Emotionen, die Langdon nicht einzuordnen vermochte. Trotzdem bewegte sie sich zügig und beherrscht. Ihre Gliedmaßen waren muskulös und geschmeidig; sie hatten die Art von gesunder Farbe, die mediterrane Haut nach vielen Stunden in der Sonne annimmt.
»Vittoria«, begann Kohler, als sie heran war. »Mein herzliches Beileid. Es ist ein schrecklicher Verlust für die Wissenschaft und… und für uns alle hier bei CERN.«
Vittoria nickte dankbar. Als sie sprach, klang ihre Stimme sanft und kehlig und mit einem italienischen Akzent behaftet. »Wissen Sie bereits, wer dafür verantwortlich ist?«
»Wir arbeiten daran.«
Sie wandte sich zu Langdon und streckte ihm die schlanke Hand entgegen. »Mein Name ist Vittoria Vetra. Ich nehme an, Sie sind von Interpol?«
Langdon ergriff ihre Hand, verzaubert von ihrem Blick, stille, tiefe Wasser. »Robert Langdon.« Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte.
»Mr. Langdon ist nicht von der Polizei«, erklärte Kohler. »Er ist ein Spezialist aus den Vereinigten Staaten, und er hilft uns herauszufinden, wer hinter diesem Verbrechen steckt.«
Vittoria schien verunsichert. »Und die Polizei?«
Kohler stieß die Luft aus und schwieg.
»Wo ist sein Leichnam?«, verlangte sie zu wissen.
»Man kümmert sich darum.«
Die Notlüge überraschte Langdon.
»Ich will ihn sehen«, sagte Vittoria.
»Vittoria!«, drängte Kohler. »Ihr Vater wurde brutal ermordet. Sie sollten ihn besser so in Erinnerung behalten, wie er war.«
Vittoria wollte etwas erwidern, doch sie kam nicht dazu.
»Hey, Vittoria!«, riefen Stimmen aus der Ferne. »Willkommen daheim!«
Sie wandte sich um. Eine Gruppe vorbeieilender Wissenschaftler winkte fröhlich.
»Hast du noch eine von Einsteins Theorien widerlegt?«, rief einer.
»Dein Vater muss stolz auf dich sein!«, fügte ein anderer hinzu.
Vittoria winkte den Männern betreten zu, dann wandte sie sich an Kohler. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich Verwirrung. »Weiß noch niemand Bescheid?«
»Ich habe beschlossen, vorerst Diskretion zu wahren.«
»Sie haben den Behörden nicht gemeldet, dass mein Vater ermordet wurde?« Ihre Verwirrung wich unverhülltem Zorn.
Kohlers Gesichtszüge wurden augenblicklich hart. »Vielleicht haben Sie vergessen, Miss Vetra, dass es eine Untersuchung geben wird, sobald ich den Mord an Ihrem Vater melde. Einschließlich einer gründlichen Untersuchung des Labors. Ich habe mich stets bemüht, die Privatsphäre Ihres Vaters zu respektieren. Er hat mir lediglich zwei Dinge über Ihr gegenwärtiges Projekt verraten. Einmal, dass es CERN möglicherweise im Lauf des nächsten Jahrzehnts Millionen von Schweizer Franken an Lizenzgebühren einbringen könnte, und zum anderen, dass es noch nicht bereit ist für eine Vorstellung in der Öffentlichkeit, weil die Technologie noch immer gefährlich ist.
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