Illusion - das Zeichen der Nacht
Türrahmen stand Nieve, ihre Miene war besorgt. »Ich habe euch im Monitor der Türsprechanlage gesehen.« Sie ergriff Janas Hand, um sie ins Haus zu ziehen. »Was ist passiert? Alles in Ordnung?«
Ihre Augen richteten sich fragend auf Yadias blasses, müdes Gesicht, aber bevor sie etwas sagen konnte, waren auf der Treppe hinter ihr Schritte zu hören. Über Nieves Schulter hinweg sah Jana Corvino eilig die Stufen herunterlaufen.
Gefolgt von David.
Als Jana ihren Bruder sah, vergaß sie für einen Moment alles andere, sogar ihren Gefangenen. »David!«, rief sie erleichtert und lief zu ihm. »Dir geht’s gut! Ich dachte schon … ich dachte, du wärst auch …«
David umarmte sie fest, und während ihr die Tränen aus den Augen liefen, hörte sie das schnelle, unregelmäßige Klopfen seines Herzens. Schließlich löste sie sich von ihrem Bruder und musterte sein Gesicht. Seine Haut war gelb und die Augen fiebrig.
»Du siehst nicht gut aus.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Wann bist du angekommen? Yadia sagt, du wärst mit Alex in Vicenza gewesen.«
David blickte finster zum anderen Ende der Halle, wo Yadia mit gesenktem Kopf zwischen Nieve und Corvino stand.
»Woher weiß Yadia das mit Vicenza?«, knurrte er. »Es war alles ganz seltsam, Jana. Wir haben das Buch gefunden, es war auf eine Art lebenden Leichnam geschrieben, einen Nosferatu. Aber dann ging alles schief. Dieser Nosferatu hat sich über Alex hergemacht, plötzlich war er darin gefangen. Irgendwie konnte er sich aber wieder befreien und wir sind beide ins Helle hinausgerannt. Da war ich auf einmal nicht mehr in Vicenza, sondern hier, in Venedig, an einer Anlegestelle am Canal Grande. Ich dachte, wir hätten es geschafft. Aber als ich mich umgedreht habe, war Alex nicht mehr da.«
Jana presste mit aller Kraft die Lider zusammen, bis sie nur noch Myriaden von Sternchen sah. Plötzlich tat ihr der Kopf so weh, dass sie sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte.
Ihre schlimmsten Befürchtungen hatten sich bestätigt. Was David gerade erzählt hatte, passte haargenau zu Yadias Geschichte. Es war das Puzzleteil, das noch gefehlt hatte. Dieses Buch, das wie ein Leichnam aussah, hatte also tatsächlich Besitz von Alex’ Seele ergriffen. Und vorhin hatte sie das Ungeheuer besiegt, in dem ihr Freund gefangen war. Wenn sie ihn nun getötet hatt… .
David fasste sie am Arm und sie gingen zu den beiden Wächtern.
»Wir wissen, was mit Alex passiert ist«, sagte Corvino. »Wie konntet ihr nur so leichtsinnig sein?«
»Leichtsinnig?«, brach es aus Jana heraus. »Er hat uns angelogen.« Ihre Augen hefteten sich vorwurfsvoll auf Yadia. »Von Anfang an hat er uns etwas vorgemacht, uns beiden, hat sich für einen Magier namens Armand ausgegeben und getan, als könnte er Tote wieder zum Leben erwecken. Nur, um Alex und mich zu dem verdammten Buch zu lotsen. Du musst die Wahrheit aus ihm herauspressen, Nieve. Du bist die Einzige, die das kann. Er ist ein Iride, er schützt seine Geheimnisse mit einer Maske.«
Nieve schüttelte den Kopf. Ihre schönen Lippen waren vor Verärgerung verzogen. »Corvino hat recht. Ihr wart unvernünftig. Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht?«, fragte sie Jana. »Wenn ihr zu uns gekommen wärt, hätten wir euch gleich klarmachen können, dass das Ganze eine Falle war.«
»Das wussten wir selbst von Anfang an. Eine Falle von Argo«, erklärte Jana müde. »Aber als Argo starb, wollten wir verhindern, dass die Kopie des Buchs der Schöpfung den Varulf in die Hände geriet. Yadia hatte ihnen schon davon erzählt. Er hat die ganze Zeit ein doppeltes Spiel gespielt. Er hat für Argo gearbeitet und gleichzeitig die Varulf und ihre anderen Verbündeten auf dem Laufenden gehalten.«
»Die Sache lief ein bisschen anders«, protestierte Yadia mit einem herausfordernden Funkeln in den Augen. »Argo war viel zu clever, um sich täuschen zu lassen. Er wusste von Anfang an, dass ich meinen Leuten alles erzählen würde, und hatte nichts dagegen.«
»Er lügt!«, rief Jana. »Ich hab’s euch ja gesagt, nicht einmal sein Gesicht ist echt. Du musst ihn dazu zwingen, die Wahrheit zu sagen, Nieve, und zwar jetzt gleich. Wahrscheinlich hängt davon Alex’ Leben ab.«
Nieve musterte aufmerksam Yadias Gesicht. »Stimmt«, sagte sie nachdenklich. »Dieses Gesicht ist nur eine Maske. Na gut, wenn du unbedingt willst, reiße ich sie ihm herunter. Keine Sorge, Yadia, es wird nicht wehtun. Ich mache es mit der Stimme.«
»Nein!«, schrie
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