Illusion - das Zeichen der Nacht
war, und blieb eine Weile mit dem Rücken zu seinen beiden Gästen stehen, den Blick auf die symmetrisch gestutzten Hecken des französischen Gartens gerichtet.
»Ich wollte Schluss machen, mir das Leben nehmen«, sprach er mit rauer Stimme weiter. »Schließlich hätte mich niemand vermisst. Mit Frauen habe ich nie viel Glück gehabt. Man kann mich wohl einen einsamen Menschen nennen.«
Alex war überrascht vom aufrichtigen Ton dieses Geständnisses. Er ließ den Zauberkünstler nicht aus den Augen, musterte eingehend seine Schultern und seinen Rücken. Kaum zu glauben, dass ein so attraktiver Mann wie er in der Liebe nur Pech gehabt hatte – außer, nicht nur seine finanzielle Situation, sondern auch sein Aussehen hatte sich erst verbessert, nachdem er das Buch der Schöpfung gefunden hatte.
Armand drehte sich abrupt um, als würde er Alex’ prüfenden Blick spüren. »Ich bin stundenlang durch die Stadt gefahren, bis weit nach Mitternacht«, sprach er weiter, nun wieder lächelnd. »Irgendwann ließ ich das Auto am Stadtrand an einem Spazierweg stehen und stieg durch den Wald auf diesen Hügel hoch. Ich hatte von der Villa gehört, war aber noch nie hier gewesen. Als ich im Mondlicht die Umrisse der Ruine entdeckte, spürte ich die Kraft einer dunklen Macht, die hier gefangen war und befreit werden wollte. Vielleicht war ich wirklich nicht der beste Magier der Welt, aber zumindest erkenne ich einen magischen Ort, wenn ich ihn vor mir habe. Voller Ehrfurcht ging ich auf die beeindruckenden Säulen am Eingang zu, die jeden Moment einzustürzen drohten. Und dann hörte ich den Ruf …«
»Den Ruf?«, unterbrach David. »Was für einen Ruf?«
Armand wandte sich ihm zu. Zwischen seinen blonden Augenbrauen hatten sich zwei steile Falten gebildet. »Den Ruf des Buchs. In Wirklichkeit hat das Buch mich gefunden und nicht ich das Buch. Sein Schatten hat meine schwache Magie angezogen wie ein Magnet. Ich bin seinem Ruf gefolgt und jetzt seht ihr, was aus mir geworden ist: ein Prinz unter den Magiern.«
Armand rieb sich zufrieden die Hände. Damit waren seine Erklärungen beendet. Alex und David sahen sich an.
»Dein Bericht ist überhaupt nicht überzeugend«, wandte David ein. »So wie du es erzählst, klingt es, als wäre alles ganz einfach gewesen. Eine magische Ruine, ein Ruf, dem du einfach folgen musstest … Aber dieser Palazzo muss jemandem gehört haben, auch wenn er völlig heruntergekommen war. Wie kommt es, dass du jetzt der Besitzer bist? Und seit wann ist er keine Ruine mehr, sondern erstrahlt wieder in seiner alten Pracht? Es muss doch Jahre dauern, bis man ein Gebäude wie dieses hier restauriert hat.«
»Du vergisst, dass ich jetzt das Buch besitze«, gab Armand stolz zurück. »Damit kann ich Dinge bewirken, die die meisten Sterblichen nie für möglich halten würden, selbst die Medu nicht. Ich kann sogar Tote wieder zum Leben erwecken. Sag mir, welcher Medu-Prinz das könnte.«
David schüttelte skeptisch den Kopf, aber diesmal ergriff Alex das Wort. »Du lügst.« Er sah Armand herausfordernd in die Augen. »Nicht einmal die mächtigsten Medu können die Bücher der Kurilen lesen und du willst uns weismachen, du hättest die Kopie des Buchs der Schöpfung gefunden und sie einfach gelesen? Ach komm, Armand, letztendlich bist du doch nur ein Mensch.«
Ein drohendes Funkeln blitzte durch die hellen Augen des Magiers. »Du vergisst, dass die Magie durch dich in letzter Zeit sehr viel gerechter verteilt worden ist.« Er warf David einen Blick zu, als suche er seine Unterstützung, doch der beobachtete ihn argwöhnisch. »Jetzt können wir zaubern, richtig zaubern, so wie die Medu. Meinst du nicht, das erklärt eine ganze Menge?«
»Nein, das glaube ich nicht«, entgegnete Alex schneidend. »Eine Sache ist es, mit der Farbe des Wassers oder der Haut zu spielen, so wie es viele Menschen tun, und eine ganz andere, ein Kurilen-Buch zu lesen. Wenn ich dir wirklich glauben soll, dass du dieses Buch besitzt und es dir zunutze machen kannst, musst du bessere Argumente vorbringen.«
Armand seufzte und wandte sich wieder dem Garten zu. Selbst während er den Blick konzentriert auf die Springbrunnen und Hecken draußen gerichtet hatte und nur im Profil zu sehen war, war nicht zu übersehen, dass sein Gesichtsausdruck etwas seltsam Melancholisches bekommen hatte.
»Na gut«, sagte er resigniert. »Wenn du eine bessere Erklärung willst, kannst du sie haben. Aber dazu muss ich euch eine Geschichte
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