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Illusion - das Zeichen der Nacht

Illusion - das Zeichen der Nacht

Titel: Illusion - das Zeichen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena , Javier Pelegrin
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blitzschnell angriff, eine Zunge desselben Feuers auf ihn schleuderte, das die Schatten an die Wand warf. Die unwirkliche, zweidimensionale Gestalt des geflügelten Wächters stürzte zu Boden, schwer und schwarz wie ein toter Vogel. Daraufhin wurde das Bild von dickem Rauch vernebelt, bis so gut wie nichts mehr zu erkennen war.
    »Nach diesem Erlebnis kehrte Dajedi nach Venedig zurück«, sprach Armand mit einem Seufzer weiter. »Wenige Wochen darauf kursierten Gerüchte, er sei von einer langen Reise in den Orient als großer Magier zurückgekehrt. Klar war nur, dass er plötzlich großen Ehrgeiz und erstaunliches Selbstbewusstsein an den Tag legte. Seht euch die dritte Szene an: Renato Dajedi geht zu einem Maskenball im Palast von König Eo, ohne eingeladen zu sein. Der Tanz ist bereits beendet und die Gäste speisen zu Abend. Dajedi ist dieser junge Mann da, der sich respektvoll zu dem hochroten Eo hinunterbeugt. Der alte Monarch hat zu viel gegessen und getrunken und ist bester Laune. Als er Renatos armselige Kleidung sieht und sein Angebot hört, zu seinem persönlichen Magier zu werden, muss er sich vor Lachen den Bauch halten.«
    Plötzlich verzog sich das Gesicht des alten Königs, als breche er tatsächlich gerade in unhörbares Gelächter aus. Alex und David sahen deutlich, wie er die Lippen bewegte, auch wenn kein Laut zu hören war.
    »Eo hat Dajedi geantwortet, Hofnarren hätte er schon genug, aber wenn er hungrig sei, könne er dableiben und sich an den Resten des Festmahls satt essen«, übersetzte Armand, der dem Herrscher offenbar die Worte von den Lippen ablesen konnte. »Die Antwort stellt Dajedi überhaupt nicht zufrieden. Seht ihr, wie er die Stirn runzelt? Trotzdem nimmt er die Einladung an und bittet darum, die Reste der gebratenen Ente aufessen zu dürfen, die der König gerade verspeist hat.«
    Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete Alex das stumme Gelächter der Gäste des Königs, die spöttischen Mienen der Hofdamen, ihr unhörbares Getuschel, während Eo das große goldene Tablett an den Tischrand schob und Dajedi die halb ausgebeinten Reste der Ente überließ.
    Nach einer komischen Verbeugung nahm Dajedis Abbild den vorderen Teil der Ente vom Tablett und begann, gierig das restliche Fleisch abzunagen, das noch an den Knochen hing. Mit einem Mal lief das Gesicht auf dem Gemälde knallrot an und wurde dann dunkelrot. Der junge Mann griff sich verzweifelt an den Hals: Er bekam keine Luft mehr. Eine der Hofdamen sprang schreiend auf (davon war natürlich nichts zu hören). Auch dem König selbst verging das Lachen und er starrte den jungen Magier mit großen Augen an.
    Plötzlich begann der Dajedi auf dem Fresko zu husten. Seine Brust hob und senkte sich, wurde von heftigen Stößen geschüttelt. Wie bei einer Explosion schoss aus seinem Mund ein Wirbel aus grauen, grünen und blauen Federn. Die Anwesenden starrten ihn fassungslos an, murmelten sich etwas zu. Gleich darauf entspannten sich die erschrockenen Gesichter und lächelten wieder. Mehrere Damen applaudierten.
    Doch ehe der König reagieren konnte, tat der junge Dajedi etwas Unerwartetes. Urplötzlich ließ er die Reste der Ente, die er noch in der Hand hielt, auf den Tisch fallen, und noch bevor die Knochen das Tischtuch berührten, begann das Tier wie wild mit den zernagten Flügeln zu flattern und schwang sich in die Luft, um ein paar Meter weiter auf einer Obstschale zu landen. Der gebratene Hals des Tiers bewegte sich pausenlos nach rechts und links und der angesengte Kopf begann, auf den Tellern der Damen zu schnüffeln, die hysterisch kreischten.
    Mehrere Becher kippten um, eine junge Frau sank ohnmächtig zu Boden. Einige Ritter zückten die Schwerter, um den Magier zu bedrohen, aber der König hielt sie mit einer Handbewegung zurück.
    Dann legte sich ein dunkler Schleier über die Szene.
    David und Alex sahen Armand mit großen Augen an. Der Magier lächelte zufrieden, als wäre die wundersame Abfolge von Bewegungen in dem Wandgemälde sein eigenes Werk.
    »Auf diese Weise gelang es Renato Dajedi, Eo auf sich aufmerksam zu machen. Von diesem Abend an tat der Monarch offenbar keinen einzigen Schritt mehr, ohne Dajedi, den Hofmagier, zu Rate zu ziehen. Dajedi hatte diesen Posten über zehn Jahre inne. Hin und wieder ging er mit dem Sohn des Königs auf die Jagd. Aber dann lief etwas schief. Seht hier.«
    In der ersten Szene des Mittelteils des Freskos links vom Fenster war Dajedi etwas älter als in den vorigen Szenen

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