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Illusion - das Zeichen der Nacht

Illusion - das Zeichen der Nacht

Titel: Illusion - das Zeichen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena , Javier Pelegrin
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aber seine Kehle war einfach wie zugeschnürt, er brachte nicht einmal den leisesten Laut zustande.
    Verunsichert musterte David noch einen Moment seinen Freund, wie er so wehrlos am Boden lag, bevor er sich wieder von dem tätowierten Wesen in Bann ziehen ließ. »Was passiert jetzt mit ihm?«, fragte er leise.
    »Nichts. Was passieren musste, ist schon passiert. Du musst ihn jetzt für immer vergessen, musst diesen Raum verlassen, ohne dich noch einmal umzudrehen. Nur wenn du dich daran hältst, kann ich dir zurückgeben, was du dir so sehr wünschst. Das, woran du gedacht hast, als du hergekommen bist.«
    David schluckte. »Du weißt … du weißt, was ich …?«
    »Du hattest eine Gabe«, erklang Alex’ Stimme aus dem grausigen Mund des Nosferatu. »Du hattest eine einzigartige Gabe und er ist schuld, dass du sie verloren hast. Ich kann sie dir zurückgeben.«
    »Wie denn?« Davids Stimme bebte vor Hoffnung.
    »Gib mir die Hand«, flüsterte das Ungeheuer und streckte den steifen Arm aus, der über und über mit verblichenen Tattoos bedeckt war. »Ekelst du dich etwa davor, tote Haut anzufassen? Sei kein Feigling, David. In dieser Haut stecken alle Geheimnisse der Welt, schon vergessen? Gib mir die Hand, du wirst es nicht bereuen.«
    David hob den Arm mit der behandschuhten Hand ein wenig, verharrte dann jedoch auf halbem Weg in der Luft, ohne das Ungeheuer zu berühren. Er zitterte am ganzen Leib, so sehr, dass es aussah, als würde er gleich umkippen. Noch ein paar Sekunden, dann würde der Nosferatu ihn anfassen …
    Alex hatte die absolute Gewissheit, dass das für ihn selbst das Ende bedeuten würde.
    Im Grunde hatte sein Sterben ja schon angefangen. Ein Teil seines Willens war dieser eisigen Kälte gewichen und auch manche seiner Erinnerungen waren fort. Es war, als hätte das Ungeheuer sie geschluckt.
    Oder vielmehr der Schatten des Ungeheuers. Mit dem letzten Rest von Bewusstsein, der ihm blieb, begriff Alex, dass es die Dunkelheit aus dem Spiegel war, die ihn immer schwächer machte und ihm eine Fähigkeit nach der anderen raubte. Der Nosferatu war nur die Hülle. Die Kraft, die ihn antrieb, kam von der Finsternis im Spiegel und war so alt und böse wie der Mensch selbst.
    Er hatte nicht mehr viel Zeit, höchstens ein paar Sekunden. Bevor er aufgab, musste er einen letzten Versuch unternehmen – bevor diese Dunkelheit seine Seele verschlang, um sie ihrem eigenen, absonderlichen Dasein einzuverleiben.
    Mit einem Mal sah er das heitere, arglose Gesicht von Nieve vor sich und ihm fiel die Kunst ein, die Nieve ihm beigebracht hatte: die Macht der Stimme. Wenn er sich nur genug konzentrierte, konnte er das Gefängnis des Schweigens durchbrechen, in dem er steckte. Er konnte seinen eigenen Todeskampf sprechen lassen und so erreichen, dass David auf ihn hörte statt auf das Ungeheuer.
    Es schmerzte, als würde eine Lawine aus spitzen Steinen an den Wänden seines Kehlkopfs entlangschrammen und sie brutal aufreißen. Und es klang wie eine Kaskade aus splitterndem Glas, die sich in einem unaufhaltsamen Schrei einen Weg von seiner Kehle zum Spiegel bahnte.
    David schien aus einem Traum zu erwachen. Mit einem Ausdruck tiefen Entsetzens richteten sich seine Augen auf Alex. Der wusste, dass er in dieser Sekunde alles begriffen hatte.
    Davids Hand sank langsam nach unten. »Nein«, sagte er flüsternd. »Das werde ich nicht tun. Ich werde meinen Freund nicht verraten.«
    Der Nosferatu brach in schauriges Gelächter aus, das den Boden des Raums erzittern ließ. »Du hast ihn längst verraten«, sagte er, als der Widerhall seines unmenschlichen Lachens verklungen war. »Du hast nichts getan, um ihm zu helfen, als noch Zeit war. Und jetzt ist es zu spät.«
    Während das Ungeheuer sprach, hatte David Alex nicht aus den Augen gelassen. Alex gelang es, den Blick wenige Millimeter in Richtung Spiegel zu lenken, obwohl es höllisch wehtat. Die Bewegung seiner Iris war minimal, aber David beobachtete ihn so konzentriert, dass er sie bemerkte. Ihm war sofort klar, was Alex damit sagen wollte. Er sah den undurchdringlichen Schatten, der aus dem Spiegel quoll, und begriff, dass es da einen Zusammenhang gab, dass die Kraft des Nosferatu zumindest teilweise aus dieser Finsternis stammte. Alex registrierte vage, wie David zum Spiegel stürzte und die gesunde Hand, zur Faust geballt, mit voller Wucht hineinrammte.
    Das silbrig schimmernde Glas splitterte und spitze Scherben sprangen in alle Richtungen.
    Ehe der Nosferatu sich dem

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