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Illusion - das Zeichen der Nacht

Illusion - das Zeichen der Nacht

Titel: Illusion - das Zeichen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena , Javier Pelegrin
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genau, wo sich der Palast der Wächter befand, und glaubte, von der Rialtobrücke aus problemlos dorthin zu gelangen.
    Doch als er sich auf den Weg machte, begriff er, dass der Nosferatu wieder einmal nicht so wollte wie er selbst. Das lebende Gefängnis, in dem er steckte, hatte beschlossen, eine andere Richtung einzuschlagen. Offenbar hatte es seine eigenen Pläne – oder vielleicht wollte es ihn auch nur daran erinnern, dass er nicht mehr frei war.
    Anfangs kämpfte Alex gegen diese Beine, die ihm nicht gehorchten, erreichte damit jedoch nur, dass er bald völlig erschöpft war. Das hier war eine Schlacht, die er nicht gewinnen konnte. Der Nosferatu hatte ihn in der Hand. Wenn er sich gegen ihn wehrte, schadete er sich nur selbst.
    Schließlich gab er sich geschlagen. Er ließ zu, dass der unsichtbare Körper des Nosferatu ihn durch die Straßen der Stadt schleifte, von einem Viertel ins andere, von einem Platz zum nächsten, ohne den geringsten Widerstand zu leisten. Was hätte es denn schon genützt? Er wollte die wenigen Kräfte, die ihm blieben, lieber für etwas aufsparen, das mehr Aussicht auf Erfolg bot.
    Er verlor das Zeitgefühl. Einer der Vorteile, wenn man von seinem Körper getrennt war, bestand darin, dass man sich nicht mehr um Hunger, Durst oder irgendwelche anderen körperlichen Bedürfnisse kümmern musste. Dadurch konnte Alex seine gesamte Energie darauf verwenden wahrzunehmen, was um ihn herum vorging, und darüber nachzudenken. Und als er sich erst einmal daran gewöhnt hatte, sich von der seltsamen magischen Hautkruste führen zu lassen, stellte er fest, dass die Erschöpfung sich verflüchtigte. Solange er sich nicht gegen den Nosferatu wehrte, würde er nicht befürchten müssen, wieder müde zu werden. Sogar das Gefühl, mit brennenden Wunden bedeckt zu sein, war verschwunden.
    Plötzlich erdröhnten Glockenschläge. Von einem nahen Kirchturm flatterte hysterisch ein ganzer Schwarm Tauben auf und flüchtete sich auf die benachbarten Dächer. Alex hob den Blick zum Glockenturm. Dort war eine Uhr, die genau sieben Uhr anzeigte.
    Die Sonne stand schon recht tief. Am liebsten wäre Alex einen Moment bei dieser friedlichen Kirche geblieben, hätte sich auf das Pflaster gesetzt und wäre in Tränen ausgebrochen. Aber da machte der Nosferatu nicht mit. Alex sah sich gezwungen, gegen seinen Willen weiterzugehen, kreuz und quer durch die labyrinthische Stadt der Kanäle.
    Irgendwann wusste er gar nicht mehr recht, wo er sich befand. Konnte es sein, dass die Brücke, die er gerade überquert hatte, ins Cannaregio-Viertel führte? Wenn das stimmte, bedeutete das, dass er sich nicht weit vom Palast der Wächter befand.
    Doch inzwischen hatte er bereits alle Hoffnung aufgegeben, sich bei den Wächtern Hilfe holen zu können. Das würde der Nosferatu niemals zulassen, so viel war klar. Dem Ungeheuer, von dem er gesteuert wurde, war es gelungen, sich auf mysteriöse Weise in sein Bewusstsein einzuschleusen und jeden einzelnen seiner Gedanken zu lesen, und zwar im selben Moment, in dem er entstand. Und es würde alles tun, um zu verhindern, dass sein Gefangener die Freiheit wiedererlangte, denn das hätte für es selbst bedeutet, wieder in seinen vorigen Zustand zurückzufallen, dieses geraubte Leben zu verlieren, das ihm nach mehreren Jahrhunderten der Erstarrung ermöglicht hatte, aus der Versenkung aufzutauchen und seinen eigenen Zielen nachzugehen.
    Aber was waren das für Ziele? Sosehr Alex sich auch den Kopf zerbrach, er konnte sich einfach nicht vorstellen, was das Monster vorhatte. Es konnte natürlich auch sein, dass der Nosferatu gar nicht aus eigenem Willen heraus handelte, sondern dass jemand ihn aus der Ferne lenkte. Aber wer sollte das sein? Armand? Ja, es musste Armand sein – oder besser gesagt der Betrüger, der das Aussehen des verstorbenen Magiers angenommen hatte und sich für ihn ausgab.
    Plötzlich spürte Alex an der rechten Schulter einen heftigen Stoß und blieb vor Schreck stehen. Er hatte sich noch nicht daran gewöhnt, die Schmerzen eines Körpers aushalten zu müssen, der eigentlich gar nicht sein eigener war. Er rieb sich mit der durchsichtigen Hand die schmerzende Schulter, während seine Augen sich auf den Mann hefteten, mit dem er zusammengeprallt war.
    Er war mittleren Alters, ein großer, kräftiger Typ mit einem Cowboyhut und kariertem Hemd über den abgetragenen Jeans. Verwundert über den Zusammenstoß sah er nach rechts und links und versuchte herauszufinden, wer

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