Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
als er gesagt hatte, er würde Miray lieben. Er hatte so viel Zeit mit ihm verbracht, dass er gar nicht mehr daran gedacht hatte, wie leer alles sein könnte, wenn er auf einmal nicht mehr da war.
Als Miray noch klein gewesen und krank geworden war, hatte er sich immer große Sorgen um ihn gemacht. Effèlan hatte es vielleicht niemanden sehen lassen, aber er hatte immer auf jeden Atemzug des Jungen geachtet. Miray war ein kränkliches, schmächtiges Kind gewesen. Roderick hatte vermutlich Recht. Er hätte den Jungen von Anfang an ganz anders behandeln müssen.
„So schnell gebe ich nicht auf ...“, murmelte der König und stützte sich mit den Händen auf die zerbrechliche schwarze Balustrade. Erst jetzt bemerkte er den aus purem Licht bestehenden Turm, der nicht weit vor ihm aus der Finsternis emporragte.
*
Als König Effèlan zehn Minuten später in die hitzige Unterredung der Kaiserin mit ihrem Abgeordneten hineinplatzte, wurde ihm das erste Mal, seit er nach Shindistan gekommen war, bewusst, wie fremdartig dieser Ort wirklich war.
Die Lichtfee, die er darum gebeten hatte, ihn zur Kaiserin zu bringen, hatte ihn zu einem Raum geführt, der bestenfalls als Kammer bezeichnet werden konnte. Er war klein, besaß keine Fenster und wurde von einem großen Schreibtisch aus weißem Elfenholz dominiert. Erst wenn man den Kopf hob, entdeckte man einen mehrere Meter in die Höhe strebenden Schacht, der mit Regalreihen eingefasst war. Zumindest hatte Effèlan diesen Eindruck. Worum es sich wirklich bei den vielen Abteilen und Geländern handelte, konnte man wegen der spärlichen Beleuchtung nicht genau ausmachen. Es war nur zu erkennen, dass die Reihen mit schwachen, silbrig leuchtenden Lichtern erhellt waren, die den Eindruck vermittelten, man würde in einen dicht besetzten Sternenhimmel blicken.
Dari diskutierte mit einem aufwendig gekleideten Feenmann. An der einen Wand stand ein Mann in der traditionellen Kleidung der Drachenfürsten, und die dunkelhaarige Prinzessin von Shidabayra war ebenfalls anwesend. Sie blickte den König mit traurigen Augen an. Das Mädchen wirkte mitgenommen, und es tat Effèlan beinahe leid.
Offenbar ging es um Miray und das, was geschehen war, bevor Effèlan in Aribanai eingetroffen war.
Mit gerunzelter Stirn hörte der König eine Weile zu, bis er die Diskutierenden unterbrach.
„Kaiserin! Ich muss dringend mit Euch sprechen. Ich weiß, dass es für Euch viel zu tun gibt, da Ihr nun zurückgekehrt seid, aber ...“
Libanul wandte sich mit ärgerlichem Gesichtsausdruck um und funkelte den König einen Moment wütend an.
„Ihr seid hier in der Toten Stadt“, entgegnete er kühl. „Hier habt Ihr keinerlei ...“
„Schon gut“, unterbrach Dari ihn. „Ihr wisst, dass Ihr in Shindistan keine Macht mehr besitzt“, wandte sie sich an den König.
Effèlan nickte widerwillig.
„Und ich kann Eurem Sohn nicht befehlen, mit Euch zu kommen. Ganz im Gegenteil, wir müssen ihn möglichst weit von Faranjoma wegbringen.“
„Wie darf ich das verstehen?“, wollte Effèlan wissen und setzte sich ächzend auf einen weißen Elfenholzstuhl.
Dari und Libanul wechselten vielsagende Blicke.
„Ich möchte Euch bitten, uns nicht zu begleiten“, sagte Dari, ohne auf die Frage des Königs einzugehen. „Wir werden Miray nach Kutraija bringen, und die Reise wird nicht leicht sein. Ich fürchte, wir haben nicht viel Zeit, und eigentlich sollten wir schon unterwegs sein. Nur ... mein besorgter Stellvertreter, der viele Jahre statt meiner mein Amt geführt hat, möchte mich nicht fortlassen.“
„Und das aus gutem Grund“, versetzte Libanul barsch.
„Nach Kutraija!“, stieß Effèlan hervor und machte nun doch ein erschrockenes Gesicht. „Das ist nicht Euer Ernst! Was soll er denn da? Ihr kennt Miray doch gar nicht. Er ist nicht geschaffen für eine so weite Reise. In Kutraija gibt es nichts, das ist die reinste Einöde.“
„Früher lebten die Drachenhüter dort“, widersprach Dari. „Ihre Stadt besteht noch, auch wenn sie ausgestorben ist.“
„Noch so eine verfluchte Geisterstadt wie die Eure!“, brüllte Effèlan.
Betretenes Schweigen breitete sich in der Kammer aus, in das hinein man ein seltsames Geräusch schrillen hören konnte. Alle blickte Nevantio von Romec an, von dem der Laut zu kommen schien.
Er wurde blass und begann wie verrückt
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