Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
„Vielleicht lassen sie sich nicht mehr zurückverwandeln. Sie waren viele hundert Jahre lang Bäume. Der eine oder andere ist es womöglich für immer.“
„Was ist denn das dort?“, erkundigte sich Drago blass geworden und streckte seine Hand aus. Er wies auf einen hohen Drachenbaum, der schwarz wie Pech zu sein schien. Seine Äste waren herabgebogen, als hätten sie sich in einem Krampf zusammengezogen.
Miro eilte hinzu und wollte schon die Hand nach der Rinde ausstrecken, als sie entsetzt zurückprallte.
„Nicht anfassen!“, herrschte sie die anderen beiden an. Barbadur stolperte erschrocken zurück, und Drago blieb mit einem gebührenden Abstand stehen.
„Was ist mit dem hier geschehen?“, erkundigte er sich tonlos.
„Ich weiß es nicht genau. Er scheint verdorben zu sein. Vielleicht haben die Ashjafal etwas mit ihm angestellt.“
„Warum sollten sie das tun?“ Barbadur zuckte mit den Schultern. „Wissen sie über das Geheimnis der Drachenbäume überhaupt Bescheid?“
„Höchst unwahrscheinlich“, gab Miro zurück. „Es sieht aus, als hätte etwas von dem Baum Besitz ergriffen. Drachenbäume sterben nicht einfach so.“
„Sieh dir das an!“, stieß Drago aus. „Dort hinten sind noch mehr davon!“
Alle drei hoben die Köpfe und blickten in den nebeligen Wald. Hinter den trüben Schleiern tauchten noch mehr pechschwarze Baumleichen auf.
„Was ist hier nur geschehen ...“, flüsterte der Geigenspieler.
„Hier wimmelt es nur so von Waldgeistern“, wies Drago die anderen darauf hin. Als Miro den Blick hob, sah sie die kaum sichtbaren grünlichen Nebelgestalten zwischen den toten Bäumen umherhuschen.
„Sieht so aus, als würden sie etwas suchen“, wisperte Barbadur und schlich etwas näher.
„Für mich sieht das eher so aus, als würden sie etwas sammeln“, entgegnete die Heilerin.
„Was immer hier geschehen ist, es muss etwas mit schwarzer Magie zu tun haben“, zischte Drago. „Alles scheint hier finsterer zu sein, und normalerweise kommen Waldgeister nicht so nahe an eine Stadt wie Yrismin heran.“
„Auf jeden Fall haben die Missetäter eine große Menge unserer Drachenbäume vernichtet, und das könnte sich zu einem Problem entwickeln.“
„Ja, du hast Recht“, entgegnete Drago lahm und lehnte sich erschöpft gegen die weiche Rinde eines noch lebenden Baumriesen.
„Du willst doch jetzt nicht etwa aufgeben!“, fuhr Barbadur ihn an, und es war ihm offensichtlich ganz gleich, ob er mit seiner lauten Stimme die Waldgeister auf ihre kleine Gruppe aufmerksam machte. „Du hast uns hierher geschleppt, und nun machst du den Eindruck, als wäre alles umsonst? Nein, mein Guter. Ohne mich. Wenn ich schon den Kopf für euch hinhalten soll, dann wenigstens richtig.“
Der Geigenspieler erfasste den Schausteller am Arm und riss ihn in die Höhe. „Wir sehen nach, wie viele Bäume noch leben, und dann fangen wir mit der Umwandlung an. Komme was da wolle.“
Drago bemerkte zum ersten Mal, seit sie zusammen nach Yrismin gegangen waren, ein triumphierendes Funkeln in den Augen des einst so legendären Drachenhüters. Ein wissendes Lächeln spielte um seine Lippen, als er Barbadurs Aufforderung Folge leistete.
Miro lief hinter den beiden Männern tiefer in den Wald von Ayn hinein und dachte mit großer Aufregung daran, was sie in wenigen Stunden tun würden. Da sie keinen der alten Magier Faranjomas hatten finden können und auch Nyasinta keinen Kontakt herstellte, würden sie die Umwandlung zu dritt beginnen müssen. Etwas, das bisher noch nie in der Geschichte der Drachenhüter versucht worden war.
*
König Tahut von Shidabayra hatte sich in der Burg von Yrismin in seinem Gemach eingeschlossen und stand vor dem Spiegel, dem Bett gegenüber, und betrachtete sein hageres Gesicht.
Er haderte nicht mehr mit dem Schicksaal, eigentlich dachte er an gar nichts Besonderes. Er stand nur da und starrte sich an. Tahut erinnerte sich zurück an den Tag, als er das Schwarze Buch in Nevantios Sternenturm gefunden hatte. Er war sich mittlerweile ziemlich sicher, dass das Buch eine Art Bann über ihn geworfen hatte, als seine Finger es berührt hatten. Sonst wäre das alles niemals geschehen. Er hatte sich der Magie des Buches nicht erwehren können. Dabei hegte er eine große Abneigung gegen Zauberei aller Art. Dass dies ausgerechnet ihm passiert
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