Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
musste das allein tun.
Er seufzte und blickte in Daris Gesicht, die mit geschlossenen Augen dalag und schlief. Miray fühlte sich auf einmal schrecklich einsam. Er war allein, war es immer gewesen. Es gab niemand, der für ihn kämpfte. Auch die schwere Entscheidung, die ihm bevorstand, konnte ihm niemand abnehmen.
Als Effèlan zu schnarchen begann, wusste der Prinz, dass der Zeitpunkt nun gekommen war. Jetzt musste er sich überwinden, oder er würde es niemals tun.
Miray schlug die Decke zurück und erhob sich vorsichtig. Er blickte zu Roderick hinüber, der mit dem Kopf auf seinem Sattel schlief und das Gesicht in der Armbeuge verborgen hatte. Dann schlich er ganz leise zu Philemon. Die Stute schnaubte, als sie ihn erkannte.
„Du kommst mit mir, nicht wahr?“, flüsterte er. „Du lässt mich nicht allein.“
Leise schwang sich Miray auf den ungesattelten Rücken der Stute und gab ihr leichten Schenkeldruck. Philemon setzte sich langsam in Bewegung. Mit kaum hörbarem Rascheln verschwand sie im Unterholz.
42. Ein letzter Versuch
Kaum waren Miray und Philemon im Dickicht des Waldes verschwunden, bemerkte der Prinz, wie sich eine große Zahl huschender Schatten an ihre Fersen heftete. Die roten Augen, die ihm schon zuvor aufgefallen waren, leuchteten hinter und neben ihnen im Finstern auf. Ein leises Knurren war aus dem Unterholz zu hören.
Philemon wieherte ängstlich. Miray tastete nach dem Amulett, das immer noch in seiner Hosentasche steckte. Er schloss die Finger darum und sofort nahmen die knurrenden Tiere Abstand.
Miray wusste nicht, welche Richtung er einschlagen sollte, aber er ahnte, dass Estarius ihn ohnehin von selbst finden würde. Er blickte zum Himmel auf und hielt nach Jonkanur Ausschau, aber er und der Drachenfürst waren vermutlich ebenfalls gelandet, um die Nacht abzuwarten. Es war niemand zu sehen. Nur ein paar Sterne, die hinter einer grauen Wolke erschienen.
Miray drückte Philemon die Fersen in die Flanken, und die Stute setzte sich gehorsam in Trab. Der dumpfe Hufschlag lief durch den Wald, und schwarze verkrüppelte Bäume zogen links und rechts an ihnen vorbei. Schließlich verfiel das Windpferd in Galopp und begann durch das Gehölz zu hetzen. Der Wind riss an Mirays Haaren und Kleidung. Immer schneller jagten sie dahin, bis die Stute plötzlich langsamer wurde, stehen blieb und kerzengerade in die Luft stieg.
„Ho!“, rief Miray. „Was hast du denn!?”
Auf einmal flackerte rund um sie beide Licht auf, als würden hundert Fackeln in derselben Sekunde entflammt werden. Hinter den Flammen erschienen die Gesichter der Grauen Hexer. Sie standen dicht verteilt zwischen den Bäumen und blickten Miray mit ihren silbrig glänzenden Augen an.
Philemon wich zurück und schnaubte aufgebracht. Miray spürte die Angst wie eine Schlange seinen Rücken hinaufkriechen. Er forschte nach Estarius’ Gesicht, konnte es aber nirgendwo entdecken. Genauso blieb Fay unsichtbar ... und wieder kamen ihm Zweifel.
Die Grauen Hexer drängten sich raschelnd heran, als wollte jeder von ihnen dem Prinzen nahe sein.
„Bringt mich zu Estarius“, verlangte Miray. „Wo ist er?!“
Die Hexer drehten sich wie auf ein geheimes Stichwort hin um und verschwanden zwischen den Stämmen der dunklen Bäume. Die Fackeln ließen sie in den Boden gerammt zurück. Nur eine Gestalt blieb im Lichtkreis stehen und schlug ihre Kapuze nach hinten.
„Wie willst du mich diesmal austricksen?“, fragte der graue Elb mit seinem fremdländischen Akzent. „Weswegen bist du heute Nacht hergekommen? Womit willst du mich in die Irre führen? Dein Mut ist bewundernswert, Miray, aber ich werde dir nicht geben, wonach du verlangst.“
„Ihr wisst doch gar nicht, was ich will“, entgegnete der Prinz und schwang sich von Philemons Rücken. Das Pferd drehte sich um und trabte in die Finsternis davon.
„Du willst mir auf selber Augenhöhe begegnen? Hättest du nicht mein Herz, wärst du niemals so mutig. Du bist nur ein gewöhnlicher Mensch. Bedenke, dass es mein Herz ist, das dich zu etwas Besonderem macht.“
„Das weiß ich nicht. Ich habe in all den Jahren nichts davon bemerkt. Es war mein Entschluss, hierher zu kommen.“
„Ist dir deine Schwester also so wichtig?“
Miray zögerte. Er durfte den grauen Elb seine Überraschung nicht sehen lassen.
„Wo ist sie?“, stellte er eine
Weitere Kostenlose Bücher