Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
das kann ich fühlen.“
Miray hätte jetzt gerne entgegnet, dass es keinen Sinn ergab, zwei einfachen Gardisten hinterher zu jagen, wenn die Ritter in Yrismin gerade dabei waren, neue Truppen zu formieren. Die Kommunikation unter den Städten Faranjomas funktionierte auch heute noch tadellos. Aber er schluckte die Worte hinunter und starrte Andamar nur mit kritischen Augen an.
„Geht jetzt endlich zu Bett!“, befahl der Magier, und einen Moment machte es den Anschein, als würde er den Arm heben, um dem Prinz eine Ohrfeige zu versetzen.
Miray duckte sich und hastete davon.
Wie schon so oft in den letzten Wochen und Monaten, war sein Kopf auf einmal voll von Fluchtgedanken. Was hätte es ihn an Überwindung gekostet, mitten in einer Nacht wie dieser einfach zwischen den Bäumen und im Nebel zu verschwinden?
So dumm wie Andamar war, hätte er es erst im Morgengrauen bemerkt. Natürlich wusste Miray, warum der Krieger die beiden Wächter aus Shidabayra unbedingt fangen wollte. Er war von ihnen übertölpelt worden, und das hatte seinem Stolz einen schlimmen Kratzer beigebracht, der jeden Tag aufs Neue schmerzte.
Es war eine persönliche Kränkung, die den Magischen Ritter dazu trieb, die unmöglichsten Wege zu beschreiten, nur um diese vermeintlichen Spione dingfest zu machen. Sie waren nun beinahe in Eshkash angekommen, dabei hatte Effèlan eindeutig Befehl geben, Yspiria nicht eher zu verlassen, als bis die Truppen Tahuts dort aufgerieben waren. Natürlich befand sich Rudugar mit seiner Kompanie noch dort, aber der war sicher nicht davon begeistert, nun alles alleine erledigen zu dürfen.
Dabei hatte sich Miray darauf gefreut, Shidabayra von nah zu sehen...
Der Prinz blieb unter einem verkrüppelten Drachenbaum stehen und blickte zu den Zelten hinunter, die langsam im Nebel davontrieben, als wären sie in einen Teich gefallen und die Strömung hätte sie erfasst.
Dann wandte er sich um und sah in die Tiefen des Waldes.
Die Finsternis lauerte hinter den Drachenbäumen wie eine perfekte Mauer. Ein paar Schritte nur, und Miray hätte darin eintauchen können, wie in einer schützenden Umarmung. Nichts hätte ihn aufhalten können. Er hätte unerkannt in den Wäldern zu leben vermocht. Oder in Falgamond, vielleicht sogar in Yrismin. Niemand hätte auch nur geahnt, wer er wirklich war.
Miray hatte sich schon abgewandt und zwei Schritte auf die Ungewissheit zugetan, als ihn auf einmal etwas zögern ließ. War da nicht ein Geräusch? Ein Schauer ergriff von ihm Besitz. Ein dumpfes Dröhnen legte sich über den Boden. Miray konnte die Pferde ängstlich wiehern hören. Der Drachenbaum neben ihm schüttelte seine Blätter, die schuppige Rinde glänzte wie mit Pech übergossen.
Miray spürte, wie sein Atem stoßweise ging. Etwas lauerte in der Finsternis vor ihm. Es war ihm, als würden ihn tausend Augenpaare anblicken.
Er wandte sich kurzentschlossen ab und rannte zu seinem Zelt zurück. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich darin zu verkriechen, die Decke des Schlafsackes bis über die Ohren hochzuziehen und so zu tun, als schlafe er.
*
Fay erwachte im Innern einer nach Schimmel und Moder riechenden Holzkiste, durch deren Ritzen die Strahlen der aufgehenden Sonne wie dünne Nadelstiche fielen. Zuerst konnte sie sich an gar nichts erinnern. Dann dämmerte Fay langsam, was geschehen war. Der Angriff der Ashjafal, dann die Ritter aus Falgamond. Auf einmal war Lucy verschwunden gewesen und alles voller stampfender, schnaubender Pferde. Philemon begann durchzugehen, und dann hatte sie einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen ... Danach herrschte Schwärze und eine beinahe tödliche Stille.
Das sanfte Wiehern ihrer Windstute ließ Fay aufschrecken. Hektisch suchte sie nach einem Loch in der Wand der hölzernen Truhe, durch das sie nach draußen spähen konnte. Sie fand ein beinahe kreisrundes Astloch und vermochte schon kurz darauf die schwarze Stute zwischen den Bäumen stehen zu sehen. Sie war umringt von durchsichtigen Geschöpfen, die wie dunkelgrüne Stofffetzen im Wind umhertrieben.
„Waldgeister“, wisperte Fay erschrocken. „Kann es noch schlimmer kommen?“
Die Waldgeister waren zu siebt. Fay erinnerte sich daran, dass sie immer in dieser Zahl auftauchten. Es waren uralte Geschöpfe der tiefen Wälder, die von allen Bewohnern Faranjomas gefürchtet wurden. Nur
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