Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
der Drachenbäume.
*
„Sie ist nicht tot!“, erklärte Nyasinta mit bebender Stimme. Ihr ohnehin weißes Gesicht schien jetzt sogar durchsichtig geworden zu sein.
Miro von Usonday kauerte vor ihr, mit einer Kristallkugel in den Händen, auf dem Boden und zitterte vor Anspannung. Der Raum war abgedunkelt, und der Mond stand über den traurigen Häusern des Armenviertels von Falgamond.
„Bist du sicher?“, hakte die Seherin bei der alten Freundin nach.
„Natürlich bin ich sicher“, entgegnete die Drachenhüterin. „Ich wüsste es, wenn ihr etwas zugestoßen wäre. Ich kann nichts Genaues sehen, aber ...“
„Ich auch nicht, sonst hätte ich dich nicht gerufen“, unterbrach Miro die schwarzhaarige Frau und blickte noch einmal in die makellose Kristallkugel in ihren Händen. Aber sie zeigte nichts, als das Spiegelbild ihres vor Entsetzen starren Gesichts.
„Ich hätte die Mädchen nicht weiterziehen lassen sollen“, klagte sich Miro an.
„Du weißt, dass ich dich darum gebeten habe“, erinnerte Nyasinta.
„Ja ... und auch die Karten haben nichts Schlimmes gezeigt.“
„Natürlich nicht. Faydon lebt noch. Ich kann dir nur im Moment nicht sagen, was mit ihr geschehen ist. Aber ich werde mich gleich auf die Suche nach ihr begeben ... wenn du mich hier nicht mehr brauchst.“
Miro richtete sich vorsichtig auf und legte die Kristallkugel auf den Boden.
„Du hast Recht. Ich kann hier nicht weg. Die Männer des Herzogs haben mir verboten, die Stadt zu verlassen. Du musst nach der Prinzessin suchen.“
„Ich werde sie schon finden, sie ist schließlich meine Tochter“, entgegnete Nyasinta und schritt in ihrem langen weißen Gewand vor den Fenstern auf und ab.
„Die Aufgabe ist einfach zu schwer für die beiden ...“, murmelte Miro wie aus weiter Ferne.
„Das ist sie nicht!“, behauptete Nyasinta mit fester Stimme. Ein trotziger Ausdruck trat in ihre Augen. „Sie sind meine Töchter, sie stehen mir in Kraft und Stärke in nichts nach. Und nun entschuldige mich bitte.“
Nyasinta schlang die weißen Schleier fester um ihre schlanke Gestalt, nickte ihrer alten Freundin noch einmal zu und verschwand dann in einer feinen, weißen Nebelwolke.
13. Waldgeister
Die ruhelose Nacht war noch nicht zu Ende. Kaum einen halben Kilometer vom Räuberlager entfernt, hatten auch die Ashjafal ihre Zelte aufgeschlagen. Der angenehme, kühle Nachtwind blähte die blau schimmernde Seide, aus denen sie gefertigt waren. Die Flagge Effèlans flatterte mit sanften Bewegungen in der frischen Brise.
Prinz Miray stand mit Andamar abseits der Zelte, unter einem weit ausladenden Drachenbaum, und blickte auf einen zierlichen Ritterhelm, in der Form eines Adlerkopfes, nieder, den der Anführer der Ashjafal in Händen hielt.
„Das ist der Beweis ...“, murmelte der Magische Ritter, während es Miray fröstelte. Nebel waren aus den Gräben der Wälder von Ayn heraufgestiegen und begannen sich wie die langen Finger einer knochigen Hand zwischen den Drachenbäumen zu verteilen.
„Im Grunde beweist das gar nichts“, wagte Miray zu behaupten.
„Es beweist, dass sie da gewesen sind“, fuhr Andamar dem Königssohn barsch über den Mund.
„Vielleicht war es ein Ritter aus Falgamond, der diesen Helm getragen hat“, hielt Miray dagegen. Seit dem Kampf mit den Gardisten hatte ihn eine Art Trotz befallen, der ihn dazu trieb, dem Zauberer ständig zu widersprechen. Zu seinem eigenen Erstaunen weidete sich Miray jedes Mal an Andamars Zorn, und eine beinahe teuflische Freude erfüllt ihn, wenn der Ritter nach Worten suchte und seine Gesichtsfarbe dabei langsam ins Rot wechselte.
„Diese Art von Helm tragen nur die Ritter Tahuts“, entgegnete der Krieger beherrscht.
„Vermutlich sind die beiden jetzt ohnehin nicht mehr am Leben“, fügte Miray äußerst trocken und ein kleines bisschen schnippisch hinzu.
Andamar richtete seinen funkelnden Blick auf den Königssohn. Ein harter Zug bildete sich um seinen Mund.
„Wenn Ihr Effèlan auch ununterbrochen widersprecht, so wie Ihr es bei mir macht, wundert es mich nicht, dass er Euch in meine Obhut befohlen hat“, schnauzte er den Prinzen an. „Diese beiden Wächter aus Shidabayra waren nicht unter den Toten. Auch ihre Pferde waren nicht zu sehen. Sie sind entkommen ...
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