Iluminai - Das Zeichen der Drachenhüter (Iluminai - Kabal Shar) (German Edition)
ihr beigebracht. Und einmal waren Feen in Shidabayra gewesen. Eine kleine Gruppe nur. Fünf Frauen, die sie zwei Wochen in den alten Feentänzen unterwiesen hatten. Die hatte sie immer gehütet wie einen kostbaren Schatz. Niemand sonst im Land konnte sie tanzen. Lucy hatte sie heimlich geübt, wenn niemand zusah.
„Ich kann es beweisen“, sagte sie.
„Eine Tänzerin in einer ritterlichen Rüstung“, kicherte eine magere Frau, deren Rock mit hundert Schellen bestückt war. Bei jeder Bewegung, die sie machte, klingelten sie leise.
„Nun, du kannst es uns nicht verübeln, wenn wir dir nicht einfach so glauben können. Allerdings, wenn du uns eine Kostprobe deiner Kunst vorführen würdest, dann ...“
„Wenn ihr unbedingt wollt“, unterbrach Lucy Heraldonius Mücke und schob den um einen Kopf größeren Mann einfach beiseite. Dann griff sie nach Barbadurs Arm und zischte ihm etwas ins Ohr, das außer ihm niemand hören konnte. Nur seine Miene veränderte sich von einem fragenden Ausdruck zu verständigem Lächeln.
„Man gebe mir ein Kleid, und eine Minute Zeit, damit ich mich umziehen kann.“
Ein Schellenrock flog durch die Lüfte und landete vor Lucys Ritterstiefeln. Sie nahm ihn rasch an sich und verschwand in einem der Zelte.
Keine Fünf Minuten später erschien die Prinzessin wieder und sah jetzt mit ihrem schwarzen Haar wie eine Zigeunerin aus. Sie nahm in der Mitte des Platzes, vor dem Feuer, Aufstellung und hob die Arme über den Kopf. Lucy hoffte inständig, dass niemand ihre zitternden Hände bemerken würde. Obwohl sie äußerlich den Anschein einer geübten Gauklerin machte, war sie innerlich so angespannt wie ein frisch aufgezogener Geigenbogen.
Lucy atmete einmal tief durch, nickte Barbadur zu und wartete auf die ersten Klänge, die der Geiger seiner Fidel entlocken würde.
Es handelte sich um ein Tanzlied der Feen, das auch bei den Menschen sehr bekannt war. Allerdings wusste keiner dazu zu tanzen, wie es die Feen taten.
Es war keineswegs ein langsamer Tanz, wie das vielleicht der eine oder andere Zuschauer vermutet hätte. Es war eine rasante Abfolge von Schritten und Handbewegungen (die Feen tanzten viel mit den Händen), die die Zuschauer rundum ganz schwindelig machten.
Die Schellen am Rocksaum untermalten das leichte Spiel des Geigers und zauberten eine seltsame Atmosphäre über dem sonst wenig zauberhaften Lager der Räuber und Diebe.
Lucy tanzte einmal langsam um das Feuer herum, dann etwas schneller und schließlich wirbelte sie über den staubigen Lehmboden, dass die Umgebung um sie herum verschwamm und die Frauen in ihren Flickenröcken neidisch den Mund verzogen.
Barbadurs Gesicht hatte vor Begeisterung zu leuchten begonnen, und es kam ihm so vor, als wäre sein Gefiedel noch nie so gut gewesen, wie an diesem Abend. Die ganze Welt schien sich für einen Moment verrückt zu haben, während Lucy tanzte und keiner bemerkte den Auftritt einer weiteren Person, die noch mehr aus dem Reich der Hexen zu kommen schien, als die tanzende Ritterin mit dem leuchtenden Gesicht.
Erst als Barbadur vor lauter Schreck mit dem Bogen von den Saiten seines altersschwachen Instrumentes abglitt und ein jämmerlicher Laut dafür sorgte, dass auch Lucy erschrocken innehielt, wurden die anderen auf den Neuankömmling aufmerksam.
Dari stand vor dem Hintergrund der nachtschwarzen Drachenbäume, deren Stämme vom Räuberfeuer blutrot schimmerten. Allerdings bot die Lichtfee nicht den üblichen majestätischen Anblick. Ihr weißes Gesicht war von Kratzern übersät, und der linke blaue Flügel hatte einen hässlichen Riss in der Mitte. An der Rüstung fehlten ein paar Teile und in ihrem Gesicht stand ein Grauen, das sofort auch von Lucy Besitz ergriff.
Die Räuber und Weiber verfielen in entsetztes Gemurmel.
„Das Mädchen hat die Tore zur Anderswelt aufgestoßen ...“, zischte jemand.
„Jetzt kommen die ganzen Zauberwesen hierher ...“, kam es von einer anderen Seite.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Lucy ihre Starre überwunden hatte und auf die Lichtfee zustürzte. Sie packte sie an den Schultern und schüttelte sie sachte.
„Wo ist Fay?!“, stieß sie hervor.
„Tot ...“, murmelte Dari. Sie machte den Eindruck, als hätte sie einen schweren Schock erlitten.
„Was?!“, schrie Lucy. „Wo ist sie, was ist mit ihr geschehen?!“
„Sie ist tot!“, brüllte die Lichtfee, und auf einmal wurde es unheimlich still auf der Lichtung. Nur der Wind rauschte weit oben in den Kronen
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