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Im Abgrund der Ewigkeit

Im Abgrund der Ewigkeit

Titel: Im Abgrund der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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mir ein rostiges Quietschen hörte. Die Tür stand jetzt einen Spaltbreit offen. Der verrunzelte Kopf der Alten, mit ihrem langen schlohweißen Haar, lugte heraus.
    Ich rührte mich nicht von der Stelle, sondern ließ ihr Zeit, mich genau zu betrachten.
    „Ich bin Lilith“, sagte ich, „und ich brauche deine Hilfe.“
    Die alte Hilde verharrte in ihrer Position, ihre kleinen knopfrunden Augen schimmerten dunkel. Urplötzlich verschwand sie.
    Ich schnappte mir den Suppentopf und folgte ihr. Nahezu vollkommene Dunkelheit empfing mich. Es roch muffig und nach Schimmel. Mit meiner Hüfte stieß ich gegen ein altes Möbel, als ich einen kleinen Lichtstreifen vor mir erkannte. Er ging von einer grob gezimmerten Tür aus. Ich öffnete sie und stand am oberen Ende einer schmalen Treppe, die steil in einen tiefen Keller führte. Tastend setzte ich Schritt vor Schritt. Die alten Planken knarrten unter meinem Gewicht.
    Das Licht stammte von einem qualmenden Feuer, das inmitten des Kellers in einer Grube glimmte. Die Alte saß im Schneidersitz davor, bewegte ihren Körper rhythmisch hin und her und stieß dabei eine Art Summen aus.
    Langsam näherte ich mich ihr, um sie nicht zu verschrecken, doch sie schien mich überhaupt nicht zu bemerken.
    „Ich habe etwas zu essen für dich mitgebracht“, begann ich.
    Ich erhielt keine Antwort, nur die monotonen Geräusche, die die Alte von sich gab, bekamen eine andere Nuance, wurden schriller, fast wie ein gequältes Kreischen.
    Ich trat neben sie, stellte den Topf auf den Boden und zog mich wieder einige Schritte zurück.
    Ihr Gesang wurde noch ein wenig lauter und brach dann unvermittelt ab. Sie wandte sich dem Topf zu, nahm den Deckel ab, beugte sich vor und schnüffelte wie ein Tier. Dann senkte sie sich weiter hinab und begann, die Brühe zu schlürfen, ohne ihre Hände zu benutzten. Sie schmatzte und keuchte vor Anstrengung.
    Endlich war sie fertig. Sie blickte zu mir empor.
    „Ich brauche deine Hilfe“, wiederholte ich.
    „Nein. Dir werde ich nicht helfen.“ Sie hob ihre Hände und wedelte mit ihnen vor ihrem faltigen Gesicht. Im rotglühenden Licht des Feuers wirkten ihre verkrüppelten Finger wie Krallen. „Du hast schreckliches Unglück über uns gebracht. Jahrzehntelang sind wir mit den Rattenmenschen halbwegs ausgekommen. Aber du musst mit ihnen einen Krieg anzetteln. Und das Ergebnis wird sein, dass sie uns alle umbringen.“
    Hilde drehte mir ihren Rücken zu, ergriff ein paar Hölzer, die am Boden lagen und warf sie in die Glut. Beißender Rauch stieg auf.
    „Lilith, du und deine Freunde, ihr habt die Ordnung durcheinandergebracht. Die Rattenmenschen wollen Nahrung, Schnaps. Manchmal nehmen sie jugendliche Knaben mit, wenn sie neue Krieger brauchen. Und ganz, ganz selten benötigen sie ein junges Mädchen.“ Sie senkte den Kopf, stützte sich auf ihren Händen auf und blies sachte in die Glut. Kleine Flammen züngelten nach oben.
    Durch die zunehmende Helligkeit konnte ich ihre Finger besser erkennen. Sie sahen aus, als wären sie mehrmals gebrochen worden und schief verheilt. Sie vermochte tatsächlich kaum, sie zu bewegen.
    „Sie haben Cecilia entführt“, sagte ich.
    „Alles deine Schuld“, kam die prompte Antwort.
    „Cecilia hat nichts getan, womit sie das verdient hätte“, erwiderte ich. „Ich kann das nicht zulassen.“
    Die Alte drehte mir blitzschnell ihr Gesicht zu. Ihre Augen warfen Funken. „Glaube mir“, fauchte sie. „Niemand hat das verdient, was ihr jetzt bevorsteht.“
    Sie begann wieder, sich hin- und herzuwiegen und ihr monotoner Singsang fing von vorne an.
    „Gundula hat mir erzählt“, fuhr ich fort, „dass du die Einzige bist, die je aus der Gefangenschaft der Rattenmenschen entkommen ist. Du musst uns unbedingt sagen, wo sie ihre Basis haben.“
    Die Alte schien mich nicht zu hören. Ihr Summen endete in einem Quietschen und sie verstummte. „Ich soll dir verraten, wo das Rattennest ist? Was soll dir dieses Wissen bringen?“
    „Ich werde hingehen und Cecilia befreien.“
    „So, wirst du?“, sagte sie. „Das wird dir nicht gelingen. Niemand schafft das. Wie viele Tage, wie viele Nächte habe ich gehofft und gefleht, dass mich jemand rettet. Aber niemand ist gekommen.“
    „Wie konntest du dann fliehen?“
    Hilde lachte wieder ihr schrilles, durchdringendes Gelächter. „Ich habe nicht gepasst. Sie konnten mich nicht gebrauchen. …Mein Blut ist IHR nicht bekommen. Und dann…“, sie zögerte, „dann habe ich mich

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