Im Abgrund der Ewigkeit
wundern, wer alles in einem Kloster lebt.“
Asmodeo erwiderte nichts.
Der alte Mann nahm seine Beine herunter und wies auf den leeren Stuhl vor ihm. „Du siehst müde aus. Setz dich.“
Asmodeo nahm Platz. Mozart legte sich zu seinen Füßen.
„Pater“, sagte Asmodeo und blickte in das Gesicht des Abtes. Es ähnelte dem von Johannes. Es hatte die gleiche Ausstrahlung.
„Pater“, wiederholte Asmodeo. „Hilf mir.“
Der alte Mann schwieg.
„Lilith und Johannes“, fuhr Asmodeo fort, „ich verliere beide.“
Der Abt nahm seinen Strohhut ab und inspizierte ihn gründlich. Dann legte er ihn zu dem Buch auf den Tisch. „Was befürchtest du?“
Asmodeo antwortete nicht sofort. Er holte tief Luft und meinte: „Ich denke, Johannes Seele hat seinen Körper verlassen und befindet sich in der Zwischenwelt. Und Lilith ist ihm dorthin gefolgt.“
Der Abt lauschte unbeweglich Asmodeos Worten, um nach einer Weile zu nicken. „Das ist sehr wahrscheinlich.“
Mit einer fahrigen Geste strich sich Asmodeo über das Gesicht. „Ich habe alles gemacht, was mir möglich war. Ein Klinikcontainer wird morgen hier eintreffen und spätestens übermorgen ist er bezugsbereit. Medizinisches Personal ist engagiert. Die Leitung übernimmt Frau Dr. Naumann, der ich persönlich absolut vertraue. Wie wir vereinbart haben, Pater, ist alles vorbereitet, um die Körper von Lilith und Johannes hierher zu verlegen.“
Asmodeo machte eine Pause und befeuchtete sich seine Lippen. „Aber mehr kann ich nicht tun. Ich bin machtlos. In der Zwischenwelt kann ich beiden nicht helfen. Wenn sie sich jetzt dort befinden, sind sie vollkommen auf sich allein gestellt. …Glauben Sie mir, ich würde alles versuchen. Ich würde mich ins Koma versetzen lassen, damit ich zu ihnen gelangen kann. Ich würde mich sogar umbringen, wenn das der Preis wäre, den ich zahlen müsste, um ihnen zu folgen. Aber aus bestimmten Gründen kann ich das nicht. Ich kann nicht…“ Asmodeos Stimme brach.
Ein verständiges Lächeln erschien auf den Zügen des Abtes. Es erreichte seine Augen. „Du kannst nicht hinterher, weil du ein Dämon bist.“
An dieser Stelle wollte Asmodeo den Abt unterbrechen, aber der hob die Hand und schüttelte den Kopf. „Ich weiß alles von dir. Mehr, als du vielleicht ahnst. Und mir ist bekannt, dass Dämonen, wenn sie auch nur einen einzigen Fuß in die Zwischenwelt setzen, in die Hölle gezogen werden.“
Asmodeos Augen waren kalt und leer. „Das stimmt. Um mich mache ich mir keine Gedanken. Aber Lilith… sie ist verloren. Und wenn sie geht, wird auch Johannes nicht mehr zurückfinden.“
Gedankenverloren zupfte sich der Abt am linken Ohrläppchen. Das Lächeln blieb auf seinem Gesicht. „Das würde ich so nicht sagen.“
„Das verstehe ich nicht“, fuhr ihn Asmodeo an. „Sie haben doch selbst gesagt, dass Dämonen nicht aus der Zwischenwelt zurückkehren. Sie geraten dann unwiederbringlich in das Reich des Bösen.“
„Ja. Das trifft auf Dämonen zu.“
„Und Lilith muss doch auch eine Dämonin sein. Ich habe mit ihr Traumreisen unternommen. Ich habe ihre übernatürlichen Fähigkeiten trainiert. Sie war mir in jedem Bereich ebenbürtig. Sie ist mit anderen Dämonen mental in Kontakt getreten, hat mit ihnen Erinnerungen und Erlebnisse geteilt. Und in letzter Zeit fühlte sie sich zum Bösen hingezogen. Das habe ich sehr genau beobachtet. Für all das gibt es nur eine rationale Erklärung. Lilith ist ein Wesen der Dunkelheit. So wie ich.“
Der Abt beugte sich nach vorne und tippte leicht auf Asmodeos Hand. „Das kann man so nicht sagen“, wiederholte er seine Worte von vorhin.
Verstört sah ihn Asmodeo an. Er versuchte eine Entgegnung zu formulieren, brach aber ab.
Der Abt seufzte. „Asmodeo“, sagte er und seine Stimme war gütig. „Hast du bei Lilith je diese besondere Energie des Bösen gespürt? Warst du dir bei ihr wirklich zu irgendeinem Zeitpunkt sicher, dass sie eine Kreatur der Nacht ist?“
Zuerst verstand Asmodeo nicht, worauf der Abt hinaus wollte. Dann erinnerte er sich:
Sein erstes Treffen mit Lilith, als sie ihn unwissentlich heraufbeschworen hatte. …Später seine täglichen Besuche im Nebel ihres Traums. …Er sah sie am Weiher in der untergehenden Sonne stehen, kurz bevor er sie angesprochen hatte. …Er fühlte, wie seine Hand die von Lilith ergriff und sie ihren Arm wegzog, weil er ihr zu aufdringlich erschien. …Der Moment, als er sie nach Hause brachte und im fahlen Licht des Mondes
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