Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Abgrund der Ewigkeit

Im Abgrund der Ewigkeit

Titel: Im Abgrund der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
Vom Netzwerk:
verteilten sich auf den leeren Bänken.
    Keiner sprach ein Wort, niemand nahm Notiz vom anderen. Jeder schien tief in seine eigenen Gedanken versunken zu sein.
    Nach einer Weile versuchten einige, hinauszublicken, wie auch ich es tat. Sie reckten ihre Hälse, sahen zuerst zu dem Fenster auf ihrer Seite, drehten ihren Kopf dann zum gegenüberliegenden Fenster, in ihren Mienen eine Spur von Interesse und Lebendigkeit. Überall dasselbe diffuse Licht. Die Gesichter wechselten nacheinander in ihre vorherige Teilnahmslosigkeit zurück.
    Eine Tür wurde mit lautem Dröhnen zugeschlagen. Der Klang hatte etwas Endgültiges. Draußen ertönte der langgezogene Pfiff einer Trillerpfeife und der Zug setzte sich stampfend und stöhnend erneut in Bewegung.
    Ich fühlte mich müde und döste vor mich hin. Das unablässige Schaukeln des Zuges schläferte mich ein.
    In unregelmäßigen Abständen kreischten die Bremsen, um den Zug anzuhalten. Neue Passagiere traten aus der Dunkelheit heraus, um die metallenen Stufen zu unserem Abteil emporzusteigen. Nach und nach füllte sich der Zug.
    Schweigend fuhren wir dahin. Der Wald verschwand allmählich, die Sonne gewann an Kraft.
    Ich reckte mich, meine Muskeln waren verspannt und schmerzten. Ich hatte Durst. Ein schaler Geschmack lag in meinem Mund.
    Unvermittelt knackte es ein paar Mal an der Wand über mir – laut und abgehackt. Eine Stimme meldete sich krächzend aus einem Lautsprecher: „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Passagiere, ich darf Sie herzlich begrüßen. Wir werden in wenigen Stunden unser Ziel erreichen. In der Mitte des Zuges finden Sie unser Bordrestaurant, welches für Sie geöffnet hat. Darüber hinaus wird einer unserer Mitarbeiter in wenigen Minuten bei Ihnen vorbeikommen. Er hat verschiedene Heiß- und Kaltgetränke im Angebot für Sie. Wir wünschen Ihnen eine angenehme Reise.“
    Die Verbindungstür zu unserem Abteil wurde aufgeschoben. Ein alter Mann mit weißen Haaren trat herein. Er trug eine schwarze abgewetzte Reisetasche und war auch sonst dunkel gekleidet. Er war nicht wie die anderen. Suchend blickte er sich um, bevor er schnurstracks auf mich zusteuerte.
    Vor meiner Bank verharrte er. „Ist der Platz Ihnen gegenüber noch frei?“ Die Melodie seiner Worte gab mir ein Gefühl der Geborgenheit.
    Ich wies auf den freien Sitz. „Selbstverständlich.“
    Der Alte setzte sich und stellte seine Reisetasche auf die Knie. Sein Blick ruhte auf mir. Er betrachtete mich jetzt mit einem liebevollen, leicht forschenden Ausdruck. Seltsamerweise war mir sein Verhalten nicht unangenehm. Ich gab ihm sein Lächeln zurück.
    Erneut schwang die Tür zu unserem Abteil auf – diesmal krachend. Ein Servierwagen aus glänzendem Metall wurde hineingeschoben. Unvermittelt drang ein verführerischer Duft in meine Nase.
    „Kaffee, Tee, Wasser, Saft“, tönte ein hagerer Mann, der sich eine Küchenschürze umgebunden hatte. Er begann, weiße Pappbecher an die Passagiere zu verteilen. Als der Kellner zu mir kam, blieb er abwartend stehen.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich verspürte nur meinen Durst.
    „Wollen Sie Tee oder Kaffee?“
    Ich bemühte mich, zu antworten, aber ich wusste nicht, was die Wörter Tee und Kaffee bedeuteten. Ich kannte die Begriffe, aber ich hatte vergessen, was sich dahinter verbarg. Also erhob ich mich halb, um auf das volle Tablett zu blicken.
    „Cappuccino“ hörte ich mich sagen. „Cappuccino mit zweimal Zucker“.
    Der Kellner nickte beflissen und reichte mir einen der Becher. Das Getränk war heiß, dampfte und hatte eine weiße Schaumhaube.
    Ohne sich um den Alten, der mir gegenüber saß, zu kümmern, entfernte sich der Kellner. Mir kam es so vor, als hätte er meinen Banknachbarn überhaupt nicht wahrgenommen.
    Vorsichtig schnüffelte ich an dem Gebräu in meiner Hand.
    Mein Gegenüber räusperte sich. „Du musst ein wenig warten, sonst verbrennst du dir die Lippen.“
    Ich folgte seinem Rat, pustete in meine Tasse und probierte schließlich vorsichtig, indem ich vom Rand nippte. Es schmeckte süß und gut.
    Ich blickte zu dem Alten und wir lächelten beide – als ob wir ein Geheimnis teilten.
    Ich trank wieder von meinem Cappuccino. Der Wald vor dem Fenster hörte endgültig auf. Grüne Wiesen wurden sichtbar. In der Ferne konnte ich das Wasser eines breiten Flusses glitzern sehen. Eine gigantische Eisenbahnbrücke überspannte ihn.
    Wir überquerten den Strom, das Rattern der Räder wurde lauter. Bald hatten wir die Brücke

Weitere Kostenlose Bücher