Im Abgrund der Ewigkeit
Gesicht.
Ich öffnete die Schlaufe des Holsters, nahm meinen Revolver heraus und befreite auch ihn vom Sand. Sicherheitshalber legte ich den Hahn zurück und ließ die Trommel frei rotieren. Die Waffe funktionierte tadellos. Ich verstaute sie sicher an ihrem Platz.
Alles war erledigt. Es wurde Zeit.
Der Zeiger des Kompasses wies mir emotionslos die Richtung an, in die ich gehen musste. Ein weiterer Tag voller Qualen wartete auf mich.
Ich setzte meinen Fußmarsch fort.
9
N ach meiner Karte zu urteilen, musste ich ganz in der Nähe der ersten Wasserstelle sein. Ich hatte mich strikt nach dem Kompass gerichtet und sorgfältig all meine Schritte gezählt. Ich war mir sicher, alles richtig gemacht zu haben. Und doch, als mein Blick über die Ebene irrte, die mich umgab, befand ich mich inmitten zeitloser Dünen einer nie enden wollenden Ebene. Es gab keine Landmarken, an denen ich mich hätte orientieren können. Nur vereinzelt hatten sich einige größere Felsbrocken in diesen Teil der Wüste verirrt. Kein Lebewesen, keine Pflanze deutete auf das Vorhandensein von Wasser hin.
Vielleicht war ich nur wenige Meter an der rettenden Stelle vorbeigegangen, ohne sie zu bemerken. Vielleicht hatte aber auch der stetig wandernde Sand das wenige Wasser zugedeckt und die Karte stimmte schon längst nicht mehr.
Mein rechter Fuß fand keinen Halt. Ich rutschte aus und schlitterte eine Düne herab. Auf allen Vieren kauernd verharrte ich. Die Sonne brannte mir unbarmherzig auf den Rücken. In meinen Schläfen hämmerte der Puls und mein Atem kam rasselnd und schnell. Der letzte Rest von Kraft in mir war verbraucht – wie der Inhalt meiner Feldflasche, die jetzt nutzlos an meinem Hals baumelte.
Einige Schritte entfernt schimmerte es bläulich. Fahle, grüne Pflanzen streckten ihre spitz zulaufenden Blätter speerartig dem Himmel entgegen. Die Pflanzen waren groß, sie umgab lichtdurchwebter Schatten.
Ich kroch über den Boden, Disteln hakten sich in meine Haut, doch ich spürte deren Stacheln nicht. Stattdessen robbte ich weiter, immer weiter, bis meine Hände kühl und feucht wurden.
Zögernd streckte ich den Hals vor. Fast erwartete ich, einer Sinnestäuschung erlegen zu sein, doch dann kam dieser einzigartige Moment, als meine Lippen das Nass spürten, und mein Gesicht tief in die glasklare Flüssigkeit eintauchte. Unsagbare Frische empfing mich. Ich öffnete meinen Mund und das pure Leben floss in mich hinein, während ich gierig trank.
Irgendwann wälzte ich mich auf den Rücken und blieb regungslos im seichten Teil des Wassers liegen. Über mir spannte sich ein tiefblauer Himmel, keine einzige Wolke war zu sehen.
Ich rollte mich herum und trank erneut, diesmal behutsam und nicht so hastig. Noch immer ungläubig richtete ich mich schließlich auf. Vor mir, in einem kleinen Becken aus Stein, befand sich das klarste und wunderbarste Wasser, das ich jemals erblickt hatte. Das Bassin wurde von einer lustig plätschernden Quelle gespeist. An seinem Rand wuchsen üppige Kakteen und dornenbehangene Sträucher. Ringsum ragten Sandwälle auf. Das war auch der Grund, weshalb ich die Vertiefung anfangs überhaupt nicht hatte erkennen können. Aber jetzt war ich hier. Asmodeos Karte stimmte. Ich war gerettet. Und wenn ich mich weiterhin genau nach dem Plan richtete, würde ich diese gottverdammte Einöde lebendig verlassen und mein Ziel, Snowhill, erreichen. Und dann… - ich stockte und brach ganz bewusst meine Gedanken ab. Ich kannte meine Zukunft nicht und wollte auch nicht wissen, was noch alles auf mich zukam. Jetzt war es an der Zeit, den Augenblick zu genießen.
Ich schlüpfte aus meiner Lederjacke, zog das T-Shirt über den Kopf. Schnell hatte ich meine Schuhe von den Füßen getreten und die Jeans abgestreift. Wieder ließ ich mich ins Wasser gleiten.
Die Felswanne wurde zur Mitte hin tiefer. Ich konnte sogar mit dem Kopf untertauchen. Erst als mich der Sauerstoffmangel dazu zwang, kam ich prustend hoch.
Mein Lachen klang hysterisch und übertrieben.
Einsam und verloren hallte es durch die kleine Oase.
10
D as Sichtfeld ringsum war grandios. Clement saß bequem auf der Draisine im wenigen Schatten des Segels. Vor ihm erstreckte sich die gelbbraune Endlosigkeit. Er trocknete seine Hände, die er sich gerade gründlichst gewaschen hatte, am Segeltuch ab, bevor er die nahezu volle Feldflasche leerte. Das Wasser schmeckte abgestanden, aber man konnte es durchaus trinken. Eines musste man den drei Männern des
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