Im Abgrund der Ewigkeit
dieser Asmodeo. Werde ich ihn finden? Wartet er in der Wüste auf mich?“
Wieder schüttelte der Alte den Kopf. „Asmodeo kann nicht hierher kommen, wie ich es tue. Aber er ist immer bei dir. Er begleitet jeden deiner Schritte.“
„An welcher Wasserstelle soll ich dann auf euch warten? Bringst du ihn mit?“
„Lilith, du musst eine Oase nach der anderen abgehen und nach ungefähr einer Woche wird in der Ferne das dunkle Band eines Gebirges erscheinen. Dort oben ist die Stadt Snowhill . Dort musst du hin. Das ist deine einzige Chance. Unsere einzige Chance.“
Ich verstand nicht, was er meinte. „ Snowhill ?“
„Genau. Das ist dein Ziel. Das ist deine Bestimmung.“ Noch während er sprach, fielen dem Alten die Lider zu. Er wirkte zu Tode erschöpft. Sein Gesicht wechselte die Farbe. Es verlor an Leben. Es wurde bräunlich und dabei durchsichtig. Ich fühlte, wie seine Hand, die ich noch immer hielt, kaum mehr Substanz besaß. Auch sie hatte eine andere Schattierung angenommen und wirkte bernsteinfarben.
Eine Flamme schien den Alten von innen aufzuzehren. Ein Leuchten ging von ihm aus und eine Sekunde später saß ich allein in der Draisine. Der Alte war fort.
Zuerst war ich wie erstarrt. Dann brach ein Schluchzen aus mir heraus. Ich presste meinen Kopf gegen den Sitz und Tränen rannen mir heiß über die Wangen. Mein Körper wurde von Krämpfen geschüttelt.
Aber die Tränen versiegten. Ruhe kehrte ein. Um mich herum herrschte vollkommene Stille.
Schließlich blieb mir nichts anderes übrig, als mich aufzurichten. Ich sah hinaus in die Wüste. Dort gab es Wasserstellen, hatte der Alte gesagt. Und ich konnte sie mit Hilfe eines Plans finden.
Diesmal öffnete ich die Reisetasche sofort. Das erste, was ich fand, war ein Stück Leder. Als ich es auseinanderschlug, erblickte ich eine Karte, in der mit blauen Punkten die Stellen mit Wasser verzeichnet waren. Daneben oder darunter befanden sich Richtungs- und Kilometerangaben. Meine Hände krampften sich in das weiche Material, als mir klar wurde, welche Strecken ich zurücklegen musste.
Ich zwang mich, ruhig zu bleiben und studierte die Karte erneut, wobei ich sie schließlich auch umdrehte, um deren Rückseite zu betrachten. Mein Herz begann heftig zu klopfen, als ich dort eine Nachricht von Asmodeo fand.
Lilith, ich liebe dich.
Gib nicht auf, sondern komm zu mir zurück.
Asmodeo
hatte er geschrieben, diesmal jedoch mit einer völlig anderen Handschrift, als beim ersten Mal. Seltsamerweise beunruhigte mich dieser Umstand jedoch nicht im Geringsten, denn ich wusste, dass diese Nachricht echt war, wie ihre Botschaft auch. Ohne darüber nachzudenken, presste ich meine Lippen auf Asmodeos Brief, bevor ich die Karte in der Innenseite meiner Jacke verstaute.
In der Reisetasche befand sich eine neue Wasserflasche. Ein silbernes Päckchen enthielt ein gutes Dutzend Nahrungsstücke. Proteinriegel stand auf der Banderole. Daneben lag zusammengerollt ein schmaler Patronengurt mit Revolverholster. Ich zog die Waffe aus dem Etui. Ihr Metall schimmerte nachtblau. Auch sie war mir aus einem anderen Leben vertraut. Ein Schleier des Vergessens hatte sich über diese Existenz gelegt.
Ich drehte die Tasche um, und schüttelte sie aus. Ein Klappmesser fiel auf den Boden, welches ich einsteckte.
Ich legte mir den Patronengurt um die Hüften und schnallte ihn fest. Meine alte Wasserflasche trank ich leer und hängte mir die neue um. Ich verteilte zehn der Nahrungsriegel auf meine Taschen. Die restlichen zwei riss ich auf, biss hinein und begann zu kauen, während ich losmarschierte.
Die nächste Wasserstelle lag in einer Entfernung von zwei Tagesmärschen. Ich hatte keine Zeit zu verlieren.
6
D er Schimmel zeigte trotz des langen Rittes keinerlei Anzeichen von Erschöpfung. Dennoch stieg Clement ab und ging neben dem Hengst einher, der gehorsam am Zügel mittrottete.
Clement hielt an und überzeugte sich am Stand der Sonne, dass ihn sein Gefühl nicht täuschte. Der Abend nahte, die Nacht war nicht mehr fern.
Eigentlich war es jetzt soweit, sich einen Platz für ein Lager zu suchen. Aber dafür hatte er noch keine Zeit. Solange das Tageslicht ausreichte, würde er der Spur folgen, die Lilith hinterlassen hatte.
Dennoch musste er sich zuerst um seinen Schimmel kümmern. Er nahm seinen Hut ab und drehte ihn um. Bedächtig schraubte er eine der Wasserflaschen auf, die am Sattelhorn hingen und schüttete ein wenig vom wertvollen Nass in die Mulde seiner
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