Im Abgrund der Ewigkeit
darauf stimmten weitere Männer in das Gelächter ein. Sofort kauerte ich nieder und presste mich dicht an den Boden. Ich war gerade eine Düne hinaufgelaufen und befand mich beinahe an ihrem Scheitelpunkt. Wenige Meter vor mir erklang wieder dieses Surren, gefolgt von hartem Klatschen.
Vorsichtig schob ich meinen Kopf zentimeterweit vorwärts, um über den Sandwall hinunter auf die andere Seite zu lugen. Dort unten lag die Oase. Verführerisch blau blitzte das Wasser in einer Felswanne. Kakteen umgaben sie und sogar ein paar kleine Bäume streckten ihre mageren Äste in die Höhe – ähnlich verkrüppelter Arme, die um Gnade flehen.
Die zwei Pferde des Fremden standen ebenfalls dort.
Mehrere mannshohe Felsen lagen über das gesamte Areal verstreut. An einen der Steinbrocken war ein Mann gebunden. Sein bloßer Rücken wies in meine Richtung. Drei weitere Männer hatten sich um ihn herum gruppiert, sie lachten und johlten. Einer von ihnen hielt eine Peitsche in der Hand. Er hob seinen Arm und holte aus. Das lange Leder sauste pfeilschnell durch die Luft. Es traf den Rücken des Fremden mit mörderischer Wucht, doch der gab keinen Ton von sich. Stumm hielt er seine Folter aus, nicht das leiseste Stöhnen drang über seine Lippen.
Weiter hinten entdeckte ich noch drei Pferde. Und schlagartig wurde mir klar, was sich bei der Oase ereignet hatte: Der Fremde, dessen Spur ich so lange gefolgt war, hatte die Wasserstelle erreicht. Er war abgestiegen, hatte getrunken und auch seine Pferde getränkt. Vielleicht war er für einen Augenblick unaufmerksam geworden. Das hatten die drei Angreifer ausgenutzt. Sie hatten ihn überwältigt. Und jetzt waren sie dabei, ihn zu Tode zu quälen.
Eigentlich brauchte ich nur zu warten, bis sie fertig waren und abzogen. Dann würde ich meinen Durst an dem herrlichen Wasser stillen können.
Als mir meine Gedanken bewusst wurden, regte sich Ekel in mir. Ekel vor mir und meiner eigenen Feigheit. Wenn ich so einen Mord zuließ, wie er gerade im Begriff war, zu geschehen, dann war ich weniger als nichts wert. Dann hatte ich es wahrhaftig verdient, gejagt und zur Strecke gebracht zu werden, wie ein tollwütiges Tier. Dann war ich nicht besser, als die Monster da unten, sondern noch schlimmer.
Ich öffnete den Verschluss meiner Feldflasche und trank das Wasser bis zum letzten Tropfen aus.
Entschlossen erhob ich mich und ging über die Düne.
Die drei Sadisten waren so in ihr Spiel vertieft, dass sie mich nicht kommen hörten. Zu meinem Leidwesen ging jetzt einer von ihnen hinter den Felsen, um das Gesicht des Opfers besser zu sehen, während sie es auspeitschten. Es war unmöglich, alle drei gleichzeitig auszuschalten. Und ich wusste es. Ich wusste es genau: ich würde sie töten müssen. Eine andere Wahl hatte ich nicht.
Ich griff nach meinem Hals, und nahm das Medaillon ab. Ich drückte auf den Mechanismus und ließ es an der Kette baumeln. Leise, wie Tropfen von himmlischem Blut, drangen die Töne aus dem Spielwerk.
Es dauerte einige Sekunden, bis die Verbrecher merkten, dass sie Besuch bekommen hatten. Der Größte von den dreien, ließ seinen Arm mit der Peitsche sinken und drehte sich um. Seine zwei Kumpane folgten dem Beispiel. Sie alle trugen lange Staubmäntel. Um ihre Augen vor der Sonne zu schützen, hatten sie sich Motorradbrillen mit gelben Gläsern aufgesetzt. Das, was ich von ihren Gesichtern erkennen konnte, drückte zunächst Erschrecken aus, welches sehr schnell in ein Staunen und dann in ein verächtliches Grinsen überging.
Ich nahm meinen Hut ab, beugte den Kopf nach vorne und schüttelte mein Haar mit einer betont weiblichen Bewegung aus. Langsam sah ich wieder auf.
„Hallo Jungs“, sagte ich und legte meinen Hut auf einem hüfthohen Felsen rechts neben mir ab.
„Was haben wir denn hier?“ Die Stimme des Großen klang amüsiert. Er ließ seine Peitsche achtlos fallen und schlug die rechte Seite seines Mantels auf. Eine tief geschnallte Automatikpistole wurde sichtbar.
Auch seine Kumpane öffneten jetzt ihre Mäntel. Sie waren ebenfalls schwer bewaffnet.
„Die will uns Gesellschaft leisten!“, rief der Mann links außen. Er bewegte sich etwas weiter von den anderen weg. Offensichtlich wollte er ein besseres Schussfeld auf mich bekommen.
„Bleib stehen“, sagte ich.
Der Große in der Mitte lachte. „Aber hallo! Das Püppchen will Befehle erteilen. Sie schlendert einfach so durch die Wüste, findet uns attraktive Burschen und glaubt doch tatsächlich,
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