Im Abgrund der Ewigkeit
offensichtlich mit großer Kraftanstrengung die Lider. Seine Augen schimmerten dunkel, liebevoll und schienen nur für mich bestimmt zu sein.
Ein tiefes Staunen glitt über seine Züge. „Lilith“, stammelte er mühsam, dann wurde sein Körper schlaff und er fiel in eine weitere Ohnmacht.
17
D icht beim Bassin ragte ein hoher Felsen auf. Er warf einen Schatten entlang des Beckenrands, nicht besonders groß, aber er musste reichen. Ich packte den Fremden unter den Achseln und zog ihn hinüber. Mehrmals drang ein leises Stöhnen über seine Lippen, aber ich ließ mich nicht beirren. Als ich sicher war, ihn einigermaßen vor der Sonne geschützt zu haben, bettete ich ihn auf die Seite und betrachtete seinen Rücken näher. Ein gutes Dutzend hässlicher roter Striemen zog sich quer darüber. Seine Haut war an vielen Stellen aufgeplatzt, Blut und Wundflüssigkeit sickerten heraus, Schweiß und Sand klebten daran. Wenn ich nicht wollte, dass sich die Verletzungen entzündeten, musste ich etwas unternehmen.
Ich erhob mich, ging rasch hinüber zu seinen Pferden, die mit hängenden Zügeln auf der anderen Seite der Wasserstelle standen. Zusammengerollt hinter dem Sattel des Reitpferdes sah ich eine Wolldecke. Ich löste die Riemen und nahm sie herunter, bevor ich die linke Satteltasche öffnete. Dort entdeckte ich trockenes Brot und eine Dose mit schwarzem Pulver. Ich roch daran, es erinnerte mich an den Cappuccino, den ich im Zug getrunken hatte. In der gegenüberliegenden Satteltasche fand ich ein relativ sauberes Hemd. Kurzentschlossen nahm ich es mit.
Als ich zurückkam, hatte sich der Fremde noch immer nicht bewegt. Ich riss das Hemd in Streifen und hängte diese über den Stein. Anschließend wusch ich meine Feldflasche aus und füllte sie ganz bis zum Rand mit frischem Wasser, mit welchem ich einen der Stoffstreifen benetzte. Behutsam begann ich mit der Reinigung der Wunden.
Nachdem der gröbste Schmutz beseitigt war, suchte ich mir eine der Kakteen, die ich bereits von der ersten Oase kannte. Ich schnitt mehrere der langen, fleischigen Blätter ab und brachte sie zu meinem Patienten. Dort schälte ich die Stängel und kratzte die weiße Seifencreme hervor. Mit dieser Substanz und mit viel Wasser wusch ich die Striemen aufs Gründlichste aus. Während der Prozedur zuckte der Fremde ein paar Mal, erneut stöhnte er, diesmal lang anhaltend, aber selbst jetzt kam er nicht zu Bewusstsein.
Die restlichen Stofffetzen knotete ich zusammen, bis ich eine provisorische Bandage erhielt und wickelte diese so gut es ging um den Oberkörper des Mannes. Obwohl der Fremde noch immer ohnmächtig war und ich ihn anheben musste, gelang mir das recht gut – wie es mir schien hatte ich Übung darin. Schließlich benetzte ich die spröden Lippen des Unbekannten und flößte ihm etwas Wasser ein. Er schluckte automatisch. Sein Atem wurde ruhiger, sein Gesicht entspannte sich.
Ich breitete die Wolldecke leicht über ihm aus und sorgte dafür, dass sein Kopf bequem lag. Den Schweiß von der Stirn wischend betrachtete ich zufrieden mein Werk.
Im Moment gab es nichts mehr, was ich noch für ihn hätte tun können. Also hockte ich mich ebenfalls in den Schatten, lehnte meinen Rücken an den Felsen und studierte den Fremden. Er lag regungslos, doch er wirkte nicht mehr ohnmächtig, sondern eher, als ob er friedlich schlafen würde.
Mehrmals setzte ich an und hielt mitten in der Bewegung inne, weil ich es nicht wagte, ihn erneut zu berühren. Doch irgendwann überwand ich meine irrationale Befürchtung, die plötzlich von mir Besitz ergriff und mich warnte, er könne sich unter meiner Hand in Luft auflösen. Ich strich ihm sein dunkles Haar aus dem Gesicht. Seine Züge waren männlich, die Nase fein geschwungen, das Kinn ausgeprägt und markant, ebenso wie seine Wangenknochen. Mein rechter Zeigefinger fuhr zärtlich über seine Haut, fand den Weg bis zu seinen Lippen und zeichnete deren sinnliche Kontur nach.
Ich fühlte mich regelrecht hypnotisiert. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden. Wie zuvor, als ich ihn vom Felsen abgeschnitten und aufgefangen hatte, rissen die Berührungen auch diesmal eine Barriere in mir ein. Meine Gefühle drohten, mich zu überwältigen. Ich fürchtete, dass mir mein Herz vor Freude und Sehnsucht brechen würde, weil ich ihn endlich wiedergefunden hatte und ich verspürte den unbändigen Wunsch, ihn an mich zu drücken und nie wieder loszulassen – obwohl der Mann, der vor mir lag, ein
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