Im Abgrund der Ewigkeit
die später bei dem Fremden Verwendung finden würde.
Als ich einen der Toten auf den Rücken drehte, nahm ich eine Bewegung unterhalb seines Hemdes wahr. Augenblicklich erschien der Revolver in meiner Hand. Das dreifache Klicken des Hahns klang gespenstisch durch die Stille.
Die Beule unter dem grauen Hemd verharrte. Sie bewegte sich nicht mehr. Vorsichtig schob ich den Lauf der Waffe unter den Stoff und hob ihn millimeterweise empor.
Nichts.
Dann lugte eine Schnauze heraus, gefolgt von roten Augen. Bevor ich mich versah, sprang mich ein dreißig Zentimeter langes Tier an. Gelbe verkrümmte Krallen schlugen sich in meine Lederjacke und eine widerlich stinkende Ratte begann, mit rasender Geschwindigkeit, an mir hochzuklettern. Ihr blutroter Blick war auf meine Halsschlagader geheftet, ihre Schnauze mit unzähligen spitzen Zähnen weit geöffnet.
Voller Ekel wischte ich die Missgeburt ab, sie wurde hoch in die Luft geschleudert. Während sie noch flog, donnerte mein Revolver. Ein lebloses Stück Kadaver fiel zu Boden.
Ich holte tief Luft, erhob mich und betrachtete die Überreste des Tieres genauer. Das Fell, besser gesagt, die Borsten, waren graubraun, der Schwanz nackt und rötlich schimmernd. Vom Kopf war nicht mehr viel übrig. Aber jetzt drang mir der Gestank noch viel intensiver in die Nase. Ich musste würgen und hätte mich sicherlich übergeben, wenn ich etwas im Magen gehabt hätte. Hastig häufte ich Sand über das Monstrum, bis es gänzlich verschwand und lud meinen Revolver nach, bevor ich die drei Toten ebenfalls verscharrte.
Einer der Kerle hatte die Ratte bei sich am Körper getragen. Allem Anschein nach hatte sie in der Tasche seines Mantels gelebt, während sie durch die Wüste ritten - auf der Suche nach Reisenden, die sie gemeinsam überfallen und zu Tode quälen konnten.
Ich mochte mir nicht ausmalen, welche Rolle die Ratte dabei gespielt hatte.
19
I ch nahm mir ein Stück trockenes Brot aus der Satteltasche des schlafenden Fremden. Begierig kauend lehnte ich mich an den Felsen. Der harte Kanten schmeckte himmlisch, besonders, weil ich jeden Bissen mit so viel Wasser herunterspülen konnte, wie ich wollte. Ich rülpste laut und ungeniert.
Der junge Mann öffnete seine Augen. Ganz offensichtlich hatte ich ihn geweckt. Etwas desorientiert blickte er mich an.
Ich lächelte ein wenig verlegen. Dann sagte ich: „Hi!“
„Hallo“, erwiderte er. Seine Stimme war tief und sanft. Wohlig kratzte sie über meine Seele.
Er richtete sich ruckartig auf, plötzlich angespannt und sah sich hastig um. „Wo sind sie? Wo sind die Banditen, die mich überfallen haben?“
Ich biss erneut in mein Brot und nahm einen tiefen Schluck aus der Feldflasche. „Weg! Die brauchen uns nicht mehr zu kümmern“, meinte ich kauend.
„Und was, wenn sie zurückkommen? Wir müssen darauf vorbereitet sein!“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte er, aufzustehen.
„Keine Sorge. Die kommen nicht wieder.“
„Du meinst…“, fragte er mit einer mehr als ungläubigen Miene.
„Genau“, sagte ich. „Mir blieb nichts anderes übrig. Ich habe sie dort hinten verscharrt.“
„Oh“, entfuhr es ihm. Er musterte mich forschend, sein Blick fiel auf den Holzgriff meines Revolvers und ich zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Nicht, dass du jetzt denkst, ich renne hier durch die Wüste und bringe alle Leute um, die mir begegnen…“, beeilte ich, ihm zu versichern.
Unsere Augen trafen sich und langsam breitete sich ein Leuchten auf seinen Zügen aus, über alle Maßen sympathisch und ansteckend – ein wunderschönes Jungenlächeln. Ich konnte nicht anders, ich lächelte zurück und hatte wieder dieses zwanghafte Gefühl, ihn zu berühren, meine Lippen auf die seinen zu pressen und mich für immer von ihm halten zu lassen.
Wir schwiegen, versunken in den Augenblick. Dann wurde mir bewusst, dass er meine Gedanken lesen konnte, die sich allem Anschein nach sehr deutlich auf meinem Gesicht widerspiegelten. Und für einen Moment hatte ich den Eindruck, dass er ähnlich wie ich empfand. Doch dann senkte er seinen Blick, räusperte sich und als er wieder aufsah, war der Zauber verflogen.
„Wir sind uns doch schon früher einmal begegnet“, setzte ich an.
„Früher?“ Er klang erstaunt.
„Ja, du hast mich bei meinem Namen genannt.“
Er grübelte. „Wann soll das gewesen sein?“
„Na vorhin, nachdem ich die drei Kerle… nachdem ich dich vom Felsen losgeschnitten habe.“
Er schüttelte den
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