Im Abgrund der Ewigkeit
Geschäftsmann einfach zu weich. Und dann wolltest du Priester werden. Aber du hast Lilith kennengelernt und ihr zwei…“ Clement lächelte vielsagend. „Nun, da brauche ich nicht viel zu erklären, das wisst ihr selbst. Ihr seid schlichtweg verrückt nacheinander. …Jedenfalls hast du von Snowhill gehört und dass die Menschen dort Beistand brauchen. Und du hast dich entschlossen, den Leuten zu helfen. Du hast dir praktisch eine Auszeit genommen. Du wolltest für dich selbst klären, wo deine Berufung liegt. Ob du als Priester durch dein Leben gehen willst, oder mit Lilith an deiner Seite.“
„Und was ist mit mir?“, fragte ich.
„Mit dir?“ Clement betrachtete mich leicht abschätzig. „Du bist ihm einfach gefolgt. Allerdings gab es kurz vor deinem Weggang einige … Ungereimtheiten .“ Clement verstummte.
„ Ungereimtheiten ?“, wiederholte ich.
Clement richtete das gefühllose Grün seiner Augen auf mich. „Bevor du verschwunden bist, hattest du einen Konflikt mit einer meiner Geschäftspartnerinnen. Es ging um Johannes und viel, viel Geld.“
„Was waren das für Konflikte?“
„Nimm’s mir nicht übel, aber du bist ein wenig gewalttätig veranlagt, und - wie mir erzählt wurde, hast du die arme Frau offensichtlich tätlich angegriffen und beinahe umgebracht.“
Die Kälte des Windes verstärkte sich. Alles in mir schien zu Eis gefroren. Ich blickte auf und sah, dass mich Clement sehr aufmerksam betrachtete, als würde er meine Reaktion abwarten. Als er merkte, dass mir bewusst war, was er tat, versteckte er sein Interesse hinter einem sarkastischen Lächeln.
„Wie hieß die Frau?“, fasste ich mit halb erstickter Stimme nach.
„Elisabeth Le Maas-Heller“, erwiderte Clement prompt. Diesmal zögerte er nicht mit seiner Antwort.
Kaum hatte er den Namen ausgesprochen, flog ein schwarzer Rabe aus dem Nebel meiner Erinnerung auf mich zu. Seine Augen leuchteten rot und seine Krallen bohrten sich tief in mein Fleisch. Das Bild verschwand ansatzlos.
Das Feuer knackte und kleine Funken stoben empor.
Johannes hatte sich vorgebeugt und legte mir seine Hand auf den Unterarm. „Wenn es dich aufregt, reden wir nicht mehr darüber.“
„Nein, nein“, beeilte ich mich zu sagen, „das ist schon in Ordnung. Das Schlimmste ist die Ungewissheit.“
Clement seufzte übertrieben. „Schade, dass ich euch nicht nettere Nachrichten aus der Vergangenheit bringen kann. Aber die Wahrheit ist nun einmal, wie sie ist.“
Ich nickte.
„Wer ist Asmodeo?“, fragte ich unvermittelt.
Clement stockte. Die Fältchen um seine Augen traten deutlicher hervor, sein Blick verhärtete sich. „Asmodeo?“, wiederholte er betont langsam meine Frage.
„Du sagtest, du kennst ihn. Du sagtest, er habe dich hierhergeschickt.“
„Du weißt wirklich nicht mehr, wer Asmodeo ist?“
Ich schüttelte verneinend meinen Kopf.
„Ich wollte eigentlich nicht darüber sprechen, aber wenn du unbedingt darauf bestehst: Asmodeo war dein Liebhaber. Ihr hattet ein ziemlich wildes Verhältnis am Laufen, obwohl du zur gleichen Zeit auch mit Johannes zusammen warst.“
„Ach wirklich?“, fragte ich tonlos.
„Leider. Aber dieser Asmodeo hat dich betrogen. Dich vollkommen ausgenutzt. So, wie er alle ausnutzt. Nebenbei hat er auch noch versucht, unsere Firma zu ruinieren. Johannes, der etwas heißblütiger ist, als ich, hasst ihn von ganzem Herzen. …Das war ein weiterer Grund, warum mein Bruder der Zivilisation den Rücken gekehrt hat, um sich in dieser Einöde hier einzuigeln. Er wollte sich an diesem Asmodeo nicht die Finger schmutzig machen.“
Ich hörte die Worte, die Clement sprach. Ihr Sinn versuchte, in meinem Herzen Platz zu finden. Aber gleichzeitig fühlte ich, dass mich Johannes‘ Bruder anlog. Was immer auch in dem früheren Leben, das ich geführt hatte, geschehen sein mochte, niemals hatte mich Asmodeo verraten. Ich war mir ganz sicher, dass er zu mir gehörte, wie ich auch nicht für eine Sekunde an der Liebe zweifelte, die Johannes und mich verband.
4
A m nächsten Morgen brachen wir mit dem ersten Tageslicht auf. Wir hatten auf das Frühstück verzichtet, stattdessen kauten wir im Sattel einige von Manuels harten Keksen. Unser Weg führte uns ständig bergauf, dennoch hatte ich nicht den Eindruck, als würden wir den Gipfeln näher kommen. Anfangs versuchte die Sonne, ihre Strahlen durch die dicke Wolkenschicht zu schicken, aber bald verlor sie ihren Kampf. Der Himmel wurde bleigrau, später
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