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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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hätten wir einfach nur einen Streit gehabt. Zugegeben … einen etwas heftigeren, aber letztlich war es nur ein Streit. Aber was auch immer ich jetzt sagen würde, du würdest jedes Wort auf die Goldwaage legen, du würdest es bewerten, und wahrscheinlich würdest du mir kein einziges davon verzeihen. «
    » Dein Schweigen ist es, das ich dir nicht verzeihe! «
    Sie kam zurück zum Tisch und setzte sich wieder auf ihren Stuhl. In ihrem Gesicht spiegelte sich Unsicherheit, welche Entscheidung die richtige war.
    Für mich gab es nur eine – die Entscheidung für die Wahrheit. Unter Annettes Schweigen krampfte sich mein Magen zusa m men. Ich presste meine Unterarm e d agegen und wartete, dass sie endlich den Mund aufmachte.
    » Ich denke, wir beide haben genau das gesagt, was uns auf der Seele brannte, was längst einmal hatte gesagt werden müssen. Als ich diese Frau aus dem Haus kommen sah, sind bei mir sämtliche Sicherungen durchgebrannt. Während ich ihr folgte, dachte ich mir immer wieder: Das kann er mir nicht antun, nicht Gregor, mein Freund. « Sie erzählte stockend und mit leiser Stimme.
    » Er hatte immer so getan, als sei er gegen Joosts Affären. Und dann lässt er eine von ihnen munter bei sich ein-und ausgehen. « Nach und nach sprach sie lauter. » Ich sah es genau vor mir: Gregor, wie er zwischen Joost und seiner Geliebten vermittelte, so wie er stets zwischen ihm und mir vermittelt hat. Nach außen hin integrer Gerechtigkeitsfanatiker, glaubte dein Mann wah r scheinlich, sich hinter verschlossenen Türen mit seinem Freund solidarisch erklären zu müssen. «
    » Das hast du ihm gesagt? «, fragte ich.
    » Auf den Kopf zu … natürlich, was glaubst du denn? Ich habe ihm vorgehalten, dass ich mich von ihm verraten fühle, dass er ein falsches Spiel spiele und ihm nicht zu trauen sei. Ich habe ihm gesagt, dass er mir nichts mehr vormachen könne, dass seine saubere Fassade Risse bekommen habe, durch die der Schmutz hindurchscheint. « Annette redete sich in Rage. » Ich habe ihn einen Ekel erregenden Blender genannt, dem eigentlich das Kotzen kommen müsse, wenn er in den Spiegel schaue. « Jetzt gewann ihre Wut die Oberhand. » Wolltest du das hören, Helen? Bist du jetzt zufrieden? Und glaubst du allen Ernstes, dass du nun besser schlafen kannst? Oder dass unsere Freun d schaft das erträgt? « Sie schüttelte den Kopf. » Dann bist du naiver, als ich angenommen habe. «
    Meine Magenschmerzen waren kaum auszuhalten.
    » Was hat Gregor gesagt? Hat er überhaupt etwas gesagt? «
    Sie kniff die Augen zusammen und fixierte mich. » Er hat sich genau wie ich Luft gemacht. « Ihr Atem ging stoßweise. » Hat mir geraten, endlich mal zu einem gescheiten Therapeuten zu gehen und zu versuchen, meinem Verhalten auf den Grund zu gehen, um es dann zu ändern. Für den Zustand, in dem unsere Ehe sich befinde, seien immerhin zwei verantwortlich. Und ich solle verdammt noch mal aufhören, mich aus dieser Verantwo r tung zu stehlen. Wenn ich darunter leide, dass Joost mich betrügt, dann solle ich gefälligst meine Sachen packen und gehen. Er habe es satt, sich die nächsten Jahre immer wieder denselben Mist anzuhören, ohne dass sich auch nur ein Deut ändere. Weder du noch er seien mein Mülleimer. Es gebe Fachleute für solche Problematiken, und die solle ich endlich aufsuchen. « Sie kaute an ihrer Unterlippe. » Der allseits so geschätzte Gregor Gaspary konnte ziemlich austeilen. Wusstest du das? «
    » War das alles? «, fragte ich verwundert. » Mehr ist zwischen euch nicht vorgefallen? «
    Annette riss ungläubig die Augen auf. » Reicht dir das etwa nicht? «
    » Wie bist du auf die Idee gekommen, er könnte sich deswegen das Leben genommen haben? «
    » Weil es Menschen gibt, die gut austeilen, aber überhaupt nicht einstecken können. Ich dachte, wenn er es nicht gewöhnt ist, dass sich jemand mal kritisch mit ih m a useinander setzt, dann haben ihm meine Vorwürfe womöglich den Boden unter den Füßen weggezogen. «
    » Gregor war nicht labil. «
    » Das weiß ich, Helen. Aber wenn du hörst, dass sich jemand kurz nachdem du bei ihm warst umgebracht hat, dann gehen dir die verrücktesten Gedanken durch den Kopf. Dann hältst du plötzlich alles für möglich. «
    Ich sah sie unverwandt an. » Ist es auch möglich, dass du nicht einstecken konntest und dich für seine harten Worte an ihm rächen wolltest? «
    Ich hatte erwartet, dass sie bei meiner Frage über schnappen oder zumindest nach Luft

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