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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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und antwortete erst, als di Lucca schon glaubte, die Verbindung sei unterbrochen.
    «Sie bestätigt unsere Befürchtungen. Außerdem ist es möglich, dass sie bis auf Weiteres ausfällt. Anscheinend plant Henderson strikte Geheimhaltung.»
    Di Lucca stieß einen leisen Pfiff durch die Zähne und schämte sich im selben Augenblick ob dieses amerikanischen Gebarens. Leise sprach er in das winzige Telefon:
    «Dann sollten wir dringend unsere Möglichkeiten erweitern.»
    «Sie meinen, wir brauchen eine neue Option?»
    «So ist es.»
    Wieder schwieg Legado einen Moment, sagte dann aber mit fester, fast etwas zu lauter Stimme:
    «Gut. Tun Sie, was zu tun ist.»

Dreizehn Tage vor der Auferstehung
     
     
    Der Airbus der Lufthansa hob pünktlich um sieben Uhr dreißig ab. Das Dröhnen der Triebwerke übertönte das Rauschen in Engels Ohren. Die letzten Tage hatten ihn arg mitgenommen. Wieder und wieder hatte er sich gefragt, worauf er sich eingelassen hatte, und aufkommende Zweifel wie gelegentliche Euphorie mit Whisky bekämpft. Dazu kam das gestrige Gespräch mit seinem Bruder. Der Vatikan benutzte ihn tatsächlich, um ihn auszuhorchen. Zum Glück hatte Thomas ihm sofort davon erzählt. Er hatte ihm trotzdem in allen Einzelheiten von ihrem Fund erzählt. Warum auch nicht, in Rom würde man ohnehin über kurz oder lang davon erfahren. Mehr Sorgen machte ihm fast die Reaktion, die Thomas nach seinen ausführlichen Erläuterungen zeigte. Er hatte ihn geradezu angefleht, bei diesem Unternehmen nicht dabei zu sein. Selbst als Wolfram ihn zu beruhigen versuchte und mehrmals darauf hinwies, dass es nahezu ausgeschlossen sei, das aufgefundene Skelett als das von Jesus Christus zu identifizieren, gab er keine Ruhe. Wolfram Engel musste lächeln, als er an die Inbrunst dachte, mit der sein Bruder argumentierte. Thomas war Intellektueller genug, um zu wissen, dass die Überlieferung in Bezug auf das Leben und Wirken Jesu auf wackligen Füßen stand. Deshalb hatte er es mit einem anderen Argument versucht, das Wolfram nicht weniger hilflos vorkam.
    «Jesu Zeitgenossen», so Thomas, «hatten seine Göttlichkeit unmittelbar erlebt. Diese Göttlichkeit entzog sich den Kriterien des Verstandes. Also erfanden seine Jünger Bilder, um das nicht Erklärbare zu vermitteln. Wunder waren solche Bilder. Natürlich konnte grundsätzlich auch die leibliche Auferstehung ein solches Gleichnis sein, um das anders nicht zu Erklärende verständlich zu machen. Heute aber haben wir keine Möglichkeit mehr, andere Bilder zu entwerfen, wir müssen denen vertrauen, die seit zweitausend Jahren die Christen begleiten. Wird das zentrale Bild der Auferstehung zerstört - und dazu reicht ein begründeter Zweifel -, kann es nicht ersetzt werden. Dann stirbt die Hoffnung für Millionen von Menschen.»
    Wolfram fand diesen Gedankengang rührend. In gewisser Weise entsprach er der Argumentation der Amtskirche in den letzten Jahrhunderten.
    Die Flugbegleiterin holte ihn aus seinen Gedanken, als sie nach seinem Getränkewunsch fragte. Er sollte sich lieber mit der aktuellen Situation befassen. Der Jerusalemer Grabfund war sensationell, keine Frage. Vielleicht fand sich sogar genug verwertbares Material in den Ossuarien, um DNS zu isolieren und die Verwandtschaftsverhältnisse im Grab zu klären. Das gut erhaltene Skelett im versteckten Sarkophag bot noch ganz andere Möglichkeiten. Alle Wissenschaftler der Welt, die sich mit der Geschichte Palästinas zur Zeit des frühen Christentums beschäftigten, würden sich bei einer solchen Gelegenheit die Finger lecken, und die meisten würden sich nicht darum scheren, wie die Ossuarien oder die DNS in ihre Labore gekommen waren. Ganz bestimmt wären die wenigsten so standhaft, sich einer Mitarbeit an dieser größten wissenschaftlichen Herausforderung ihres Fachgebiets zu verweigern. Gleichwohl plagten ihn noch immer Skrupel. Henderson hatte ihm gestern Abend am Telefon erklärt, dass alles bereit sei und er ihn in London erwarte. Das konnte nur bedeuten, dass er die Funde aus Israel herausgeschmuggelt hatte. So sehr die Zweifel wissenschaftlicher Redlichkeit an ihm nagten, wusste er doch, dass es kein Zurück mehr gab. Nicht nur, weil er Henderson sein Wort gegeben hatte, sondern vielmehr, weil er die Herausforderung annehmen wollte, die in diesem Grab lag. Er hatte immer von dem einen, großen Fund geträumt, der ihn über Nacht berühmt machte. Jetzt war es so weit – was auch immer sie herausfänden. Und außerdem: Was

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