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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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es Zeit für Champagner!»
    Hawleys Stimme füllte den ganzen Raum. Als Audrey mit drei Kühlern hereinkam, in denen sich mehrere Flaschen Taittinger und Veuve Cliquot befanden, war die Partystimmung nicht mehr zu stoppen. Engel merkte bald, wie er sich von der Feierlaune innerlich distanzierte.
    «Was ist los mit Ihnen, Wolfram?»
    Theresia legte ihren Arm um seine Schultern und drückte ihn an sich.
    «Sie machen ein Gesicht, als hätte man Ihnen gerade Ihr Lieblingsspielzeug weggenommen.»
    «Ist schon gut, Theresia. Aber vielleicht haben Sie damit nicht unrecht.»
    Die füllige Anthropologin schüttelte den Kopf.
    «Euch Deutsche kann man echt nicht verstehen.»
    Sie drehte sich um und hakte sich einen Augenblick später bei Peter Deary ein, der sie mit vom Champagner gerötetem Gesicht anhimmelte.
    Wenige Minuten später hatte Engel die Party verlassen und war in sein Appartement gegangen.
     
    Er nahm noch einen Schluck von dem Whisky, und jetzt brannte er deutlich weniger. Anscheinend werde ich wieder normal, dachte er. Die Traurigkeit hatte ihn noch nicht verlassen. Ungefähr so hatte er sich gefühlt, als sein Vater gestorben war. Sein Tod war absehbar gewesen, in den letzten Tagen hatten sie ihn sogar erhofft. Als er aber in seinen Armen zusammensank, überkam Engel die Trauer wie eine Welle den Surfer im Ozean. Für einen Moment glaubt man, davongetragen zu werden. Bald aber schlägt sie über einem zusammen und lässt einen in der Dunkelheit zurück. Es war der endgültige Verlust, der den Schmerz auslöste. Er würde nie wieder sehen, wie sein Vater mit unsicherer Geste das schüttere Haar auf seinem Kopf ordnete. Nie mehr würde er seine leise Stimme hören, die bei Aufregung leicht zitterte. Es war unwiederbringlich verloren. Genau so, wie jetzt der Jesus seiner Kinderzeit verloren gegangen war, der vom Himmel auf ihn herabsah und ihn beschützte. Er glaubte schon lange nicht mehr an diesen freundlichen Herrn irgendwo da oben, er glaubte überhaupt nicht an einen Gott. Aber es hallte etwas nach in ihm von diesem Kinderglauben. Als wäre damals ein Gong geschlagen worden, dessen Ton fast verklungen war, dessen Schwingung er aber noch spüren konnte.
    Und noch etwas hatte er verloren. Den wichtigsten Gegenstand seiner Arbeit. Was hatte die sogenannte Leben-Jesu-Forschung nicht alles an Hypothesen und Vermutungen zutage gebracht. Für einen Teil der Forscher war Jesus am Kreuz gestorben, und die Jünger hatten seinen Leichnam versteckt, vielleicht sogar vernichtet, um die Geschichte von der Auferstehung erzählen zu können. Für andere hatte er die Kreuzigung schwer verletzt überstanden und Palästina verlassen, wo ihm weiter Verfolgung und Hinrichtung drohten. Wohin war er gereist? Nach Italien, nach Frankreich? Vielleicht war er nach Indien gewandert und dort als alter, von den Menschen verehrter Weiser gestorben und begraben. Schöne Geschichten, die Lesern und Zuhörern wohlige Schauer über den Rücken jagten. Alles Unsinn! Alles war viel einfacher! Die Bibel hatte recht, alles war abgelaufen wie dort beschrieben: gekreuzigt, gestorben und begraben. Und zweitausend Jahre später gefunden!
    Engel stellte das Glas mit einem Ruck auf den Tisch und schlug sich mit den Handflächen ins Gesicht. Wenigstens er musste mit diesen Fantastereien aufhören und klar denken. Sie hatten das zweitausend Jahre alte Skelett eines Mannes gefunden, der ungefähr im Alter von fünfunddreißig Jahren am Kreuz gestorben war. Die Aufschrift auf seinem Ossuarium identifizierte in als Jesus, was damals kein seltener Name war. Es konnte sich um einen gemeinen Mörder oder Räuber handeln, den die Römer aufgegriffen und, um ein Exempel zu statuieren, auf die grausamste Art hingerichtet hatten, zu der die Justiz fähig war. Um zu beweisen, dass es sich um das Skelett von Christus handelt, reichten die Namen der übrigen Verstorbenen im Grab nicht aus. Dazu bedürfte es eines schriftlichen Zeugnisses, eines Pergamentes oder einer Inschrift im Grab mit folgendem Inhalt: «Hier liegt Jesus aus Nazareth begraben, den die Römer wegen Hochverrats kreuzigten, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa war.» So oder zumindest ähnlich müsste eine Quelle lauten, wenn Henderson die Echtheit seines Skeletts beweisen wollte. Engel stand auf, ging ins Badezimmer und spritzte sich eiskaltes Wasser ins brennend heiße Gesicht. Er, Professor Doktor Wolfram Engel, hatte in diesem Haufen wahnsinniger und verblendeter Wissenschaftler die

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