Im Auftrag der Liebe
da mit hineingezogen wurde. Ich musste mir einen Plan zurechtlegen, um die Firma und mich selbst zu schützen.
Ich war völlig versunken in meine Vorstellung davon, wie die Valentine Inc. unter meiner Führung zu Grunde ging, als die beißende Stimme meiner Großmutter mich aus dem üblen Tagtraum riss.
»LucyD, du solltest nicht vergessen, dass ich dieses Büro geleitet habe, lange bevor du geboren wurdest. Lange bevor dein Vater geboren wurde. Also guck mich nicht so an.«
Ehrlich gesagt, hatte ich gerade überhaupt nicht an sie gedacht, aber das mit dem Skelett im Wald musste sie wirklich nicht wissen. »Tut mir leid. Aber ich bin noch ganz durch den Wind, weil ich mich so abgehetzt habe, um pünktlich hier zu sein.«
»Ich hätte den ersten Termin gerne für dich übernommen.«
»Ich dachte, du wolltest dich darauf beschränken, ans Telefon zu gehen?«
Sie grinste wie ein Honigkuchenpferd. »Ich meine ja auch nur theoretisch.«
»Ach so.«
Es klingelte, und Dovie eilte zum Lautsprecher der Gegensprechanlage auf Suzannahs Tisch.
»Hier ist Mary Keegan.« Der Verkehrslärm übertönte das dünne Stimmchen beinahe.
»Kommen Sie bitte herauf.« Dovie ließ den Knopf los.
»Mein erster Termin«, sagte ich und versuchte, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen.
»Nicht ganz.« Dovie rückte ihre Armreifen zurecht. »Lola Fellows wartet in deinem Büro. Und sie wirkt nicht sehr glücklich.« Sie lehnte sich vor und flüsterte: »Diese Frau macht mir Angst.«
Lola? Was wollte die denn so schnell wieder hier?
»Los, los«, scheuchte mich Dovie. »Ich kümmere mich schon um alles.«
Das war eines der Dinge, die mir Angst machten.
Ich atmete tief durch und ging in mein Büro. Lola stand am Fenster und sah hinaus auf die enge Gasse hinter dem Gebäude. Als ich den Raum betrat, drehte sie sich um, die Arme vor der Brust verschränkt. Ihrem knallharten Blick zufolge war sie bereit für die Schlacht.
»Guten Morgen«, grüßte ich und versuchte, unbeschwert zu klingen.
Ich legte meine Tragetasche auf den Tisch und zog die Mappen heraus. »Möchten Sie sich nicht setzen?«
Lola starrte mich an. »Nein, ich möchte mich nicht setzen. Ich will mein Geld zurück. Sie sind gefeuert, Ms Valentine.«
◊ 8 ◊
I ch sank auf den Stuhl. Meine schlimmsten Befürchtungen wurden Wirklichkeit – ich ruinierte hier gerade das Familienunternehmen. Ich leitete die Firma erst seit einem Tag, und schon ging alles den Bach runter.
Das war doch bestimmt ein Rekord.
»Darf ich mich nach dem Grund erkundigen?«, fragte ich.
Lola trommelte wütend mit dem Fuß auf dem Boden. »Der Grund ist Adam Atkinson.«
Ich erinnerte mich sofort an den Namen. Das war der Mann, in dessen Mappe ich ein Stoffmuster wie das von Lola gefunden hatte, in leuchtendem Blau. »Warum nehmen Sie nicht für einen Moment Platz?«
Sie presste die roten Lippen aufeinander, ließ sich nach kurzem Zögern jedoch auf dem Stuhl nieder. Mit verschränkten Armen und überkreuzten Beinen saß sie da und verkündete: »Ich wusste, dass ich besser auf die Rückkehr Ihres Vaters gewartet hätte. Aber jetzt will ich eigentlich gar nichts mehr mit Ihrer Firma zu tun haben. Das ist doch einfach lächerlich.«
Die Kunden meines Vaters zu verlieren machte mir wirklich Sorgen, also fragte ich: »Was stimmt denn nicht mit Adam? Wir nehmen all unsere Kunden gründlich unter die Lupe und …«
»Ja, es stimmt tatsächlich etwas nicht mit ihm! Er ist, er ist …« Sie spannte den Kiefer an. »Er arbeitet in der Abfallwirtschaft«, presste sie schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»In der Abfallwirtschaft?« Ich blinzelte. »Sie meinen, er ist Müllmann?«
Sie knurrte: »Ja, Müllmann. Wie sind Sie bloß auf die Idee gekommen, mich mit einem Müllmann zusammenzubringen?«
Ich atmete geräuschvoll aus und lehnte mich in meinem Stuhl zurück, während ich versuchte, den Ärger herunterzuschlucken, der langsam in mir aufstieg. »Kann ich davon ausgehen, dass Sie wenigstens mit ihm gesprochen haben?«
»Er ist Müllmann , Ms Valentine. Sobald ich von seinem Beruf erfahren hatte, war das Gespräch beendet. Wir leben in verschiedenen Welten.« Sie fuchtelte mit ihrem manikürten Finger herum, der rote Nagel sauste durch die Luft. »Und das sollte einer Heiratsvermittlerin doch wirklich klar sein, bevor sie mich in eine so peinliche Situation bringt. Können Sie ihn sich beim Symphoniekonzert vorstellen? Oder vielleicht bei einem Geschäftsessen?
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