Im Auftrag der Liebe
sollte jetzt wirklich mal wissen …«
»Vertrauen, Sean, weißt du noch?«
Die Art und Weise, wie er mich ansah, gab mir das Gefühl, dass er mir direkt in die Seele blickte. Und ich legte sie ihm zu Füßen.
»Okay«, sagte er schließlich.
Ich ließ mich schweigend neben Thoreau nieder und richtete die Taschenlampe auf den Boden. Als die Schaufel geräuschvoll auf die Erde traf, war das Echo in den Bäumen zu hören, es vermischte sich mit dem unheimlichen Heulen des Windes.
Nach etwa einem halben Meter fragte Sean: »Wie tief noch?«
»Ich weiß es nicht.«
Er machte weiter und schnaufte dabei heftig.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte ich mich.
»Bestens.« Ihm stand der Schweiß auf der Stirn. »Ich gerate schnell außer Atem.«
Das fand ich nicht sehr logisch – ein ehemaliger Feuerwehrmann sollte doch eigentlich in Form sein. Ehemaliger. Oh. »Hat das was mit deinem Unfall zu tun?«
Er gab keine Antwort.
Und ich drängte ihn auch nicht.
Etwas weiter unten stieß die Schaufel auf etwas Hartes. Sean zog sie zurück. Ich leuchtete in das Loch.
Es überkam mich eiskalt, ging mir durch Mark und Bein.
Ihm stand Entsetzen ins Gesicht geschrieben, als er den menschlichen Knochen anstarrte. »Was ist das?«
Unter Zähneklappern entgegnete ich: »Die Frage sollte vielmehr heißen: Wer ist das? Und die Antwort lautet leider: Ich weiß es nicht.«
Auf dem Weg zurück zum Auto begegneten wir auf dem Parkplatz einem alten Mann mit einem dreifarbigen Beagle. Wir vermieden jeglichen Augenkontakt.
Sean legte die Schaufel in den Kofferraum und streckte die Arme weit aus. »So, was jetzt? Sollen wir noch eine Bank ausrauben oder so, um den Tag abzurunden?«
Thoreau folgte mir fröhlich zur Beifahrertür. Ich hob ihn hoch. »Du musst ja nicht gleich sarkastisch werden.«
Sean fuhr sich mit der Hand durch das dunkle Haar. »Tut mir leid, aber ich buddele nicht jeden Tag Leichen aus. Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll.« Er hielt die Tür für mich auf. Ich setzte mich hinein und hielt Thoreau ganz fest.
Als Sean den Wagen umrundet hatte und schließlich hinterm Steuer saß, sagte ich: »Ich mache das auch nicht jeden Tag.«
Er antwortete nicht, sein skeptischer Blick sprach jedoch Bände.
Ich atmete tief durch. Inzwischen wünschte ich wirklich, ich wäre stark genug gewesen, um das alleine durchzuziehen. Der bescheuerte Gedanke »Beim nächsten Mal …« schoss mir durch den Kopf. Ha! Es würde kein nächstes Mal geben. Meine Aufgabe hier war erledigt. Na ja, zumindest fast. »Könntest du bitte zum Dunkin’ Donuts an der nächsten Ecke fahren?«
»Hast du jetzt etwa Hunger?«
»Nein, ich will da das Telefon benutzen.«
Er zog sein Handy aus der Tasche und hielt es mir hin. »Nimm doch meins.«
»Nein danke. Ich will nicht, dass man den Anruf zu mir zurückverfolgen kann.«
Er zog die Brauen hoch und verengte die Augen zu Schlitzen. Dann sah er abrupt weg.
Als er den Wagen anließ, bereitete ich mich darauf vor, mit Fragen bombardiert zu werden. Zu meinem Erstaunen schwieg Sean jedoch.
Das Ausbuddeln von Leichen verschlägt wohl jedem die Sprache. Wir hatten nicht weitergegraben, nachdem Sean auf den Knochen gestoßen war. Ich hatte nur sichergehen wollen, dass dort wirklich jemand unter der Erde lag.
Sean fuhr auf den Parkplatz und hielt in der Nähe der Telefonzelle. Ich sprang aus dem Wagen, hob mit einem Papiertaschentuch vorsichtig den Hörer ab und wählte den Notruf, wobei ich darauf achtete, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Meine Hände waren kalt und steif.
Ein Mann ging ran, er klang gelangweilt. »Notrufzentrale, was kann ich für Sie tun?«
»Hi, ja, hm, mein Freund und ich waren gerade im Great Esker spazieren, und da hat sich unser Hund losgerissen.«
»Wir kümmern uns nicht um vermisste Hunde«, antwortete er ungerührt, »ich kann Sie aber mit der Tierrettung verbinden.«
»Nein, nein«, entgegnete ich und versuchte, dabei meine Stimme zu verstellen. »Den Hund haben wir wieder.«
»Warum rufen Sie dann an? Gibt es einen Notfall?«
Wie würde er »Notfall« wohl definieren?
»Eigentlich nicht. Aber der Hund ist im Wald verschwunden und ist da an einer bestimmten Stelle total ausgeflippt. Mein Freund hatte eine Schaufel im Auto, die hat er geholt, und dann hat er an der Stelle mal gegraben. Nach etwa einem halben Meter ist er auf einen Knochen gestoßen. Einen menschlichen Knochen«, fügte ich noch hinzu. »Da liegt jemand im Great Esker
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