Im Auftrag der Liebe
stieg aus dem Auto, betrat das Restaurant und hielt direkt auf die Bar zu. Es war noch früh, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass Butch schon da war und mir auflauerte. Mir blieb jede Menge Zeit, um meine Anspannung herunterzuspülen.
Blind Dates waren einfach nichts für mich.
Oder besser gesagt, Dates im Allgemeinen.
»Irgendwas Starkes«, sagte ich zum Barmixer. Dann fiel mir wieder ein, dass ich ja nach Hause fahren musste. »Aber nicht zu stark.«
Ich schälte mich aus dem Trenchcoat und achtete darauf, dass mein Wickelkleid nicht verrutschte, als ich mich hinsetzte. Den Absatz meiner Stöckelschuhe schob ich über die Querstrebe des Hockers. Der Fernseher über der Theke zeigte die neusten Nachrichten über den Fall des vermissten Jungen.
Der Barmann stellte mir ein Glas Weißwein hin, und ich trank dankbar einen Schluck, während ich den Fernseher im Auge behielt. Ich war froh über ein bisschen Ablenkung. Die Nachrichten zeigten John und Katherine O’Brien, die sich fest umklammert hielten. In den Augen der beiden erkannte ich diesen abwesenden Blick, der mir abermals das Herz brach. John O’Brien war groß und hatte breite Schultern und Hüften. Er sah wie jemand aus, den man bei einem Notfall gerne in seiner Nähe hätte. Ein starker Mann.
Aber war er auch ein Mann, der seinem Kind wehtat?
Ich wusste es nicht.
Die Kamera schwenkte wieder zum Reporter zurück: »Die Behörden versuchen nun herauszufinden, ob Mr O’Brien wegen seiner Beschwerden in ärztlicher Behandlung war. Es gibt bislang keine eindeutigen Beweise dafür, dass er tatsächlich an einer mit Anfällen verbundenen Krankheit leidet, die Polizei ist im Moment aber noch nicht gewillt, ihn als Verdächtigen einzustufen. Eine Quelle aus Polizeikreisen hat uns informiert, dass Mr O’Brien bereit sei, einen Lügendetektortest zu machen, und dass möglicherweise gegen ihn Anzeige erstattet wird. Er wird sich irgendwann morgen im Laufe des Tages diesem Test unterziehen. Beunruhigender ist die Nachricht, dass laut der Polizei von Hingham ein registrierter Sexualstraftäter auf dem Campingplatz des Parks wohnt.«
Mir drehte sich angesichts dieser Neuigkeiten der Magen um. Max, Max, wo steckst du bloß?
Mein Handy ging mit seiner fröhlichen Jingle-Bells -Version los, die so gar nicht zu meiner momentanen Stimmung passte. Ich nahm Telefon und Weinglas mit in eine ruhige Ecke.
Es war Marisol.
»Immer noch nichts Neues von Em?«, fragte ich.
»Nein. Und so langsam mache ich mir wirklich Sorgen.«
Durch das Fenster sah ich, wie eine Fähre draußen anlegte. Zu meiner Linken schaukelten Dutzende von Segelbooten im Jachthafen von Hingham. Hinter einem dünnen Streifen Wasser ragten auf der schmalen Halbinsel die Wohnkomplexe von Weymouth stolz auf und versperrten den Blick auf das endlose Wasser dahinter. Hier und da erhellten gelb erleuchtete Quadrate die Fassade. »Vielleicht sollten wir im Krankenhaus anrufen, um zu sehen, ob sie da ist.«
»Das hab ich schon. Sie hat sich für heute und morgen krankgemeldet.«
In der Magengegend verkrampfte sich bei mir alles. »Hast du es schon bei ihrer Mutter versucht?«
»Gerade eben. Sie hat seit gestern Nachmittag nichts mehr von Em gehört. Sie meinte, da hätte sie nicht komisch geklungen oder so. Aber es sei schon seltsam, dass Em sich heute den ganzen Tag nicht bei ihr gemeldet hat.«
»Und hast du noch mal mit Joseph gesprochen?«
»Leider ja. Em war noch nicht zu Hause. Es fehlt auch nichts aus der Wohnung. Sie ist einfach weg. Sie hat ihre Handtasche und das Auto mitgenommen. Wir können noch nicht zur Polizei gehen – es ist viel zu früh.«
Ich stellte mein Weinglas ab. Mein Magen fuhr endgültig Achterbahn, da half auch kein Alkohol mehr.
»Ich mache mir wirklich Sorgen«, wiederholte Marisol.
»Ich auch«, gab ich zu.
»Was sollen wir jetzt machen?«
»Ich weiß es nicht. Können wir denn irgendwas tun?«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie ein Mann hereinkam und sich umsah. Die Ähnlichkeit mit Matt Damon war unübersehbar.
»Vermutlich nicht«, murmelte Marisol. »Aber mir gefällt die Sache gar nicht.«
»Ich glaube, das wäre doch ein guter Grund, mein Date sausen zu lassen.« Ich würde den Laden verlassen können, ohne dass Butch es überhaupt merkte.
»Nein, mach das nicht. Er ist wirklich ein netter Typ. Ich mache mir einfach nur …«
»Sorgen?«
»Genau. Ich denke, ich telefoniere jetzt noch ein bisschen rum. Ich sage dir Bescheid, wenn es was Neues
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