Im Auftrag der Liebe
Taschenlampen. Es wird ganz schön schnell dunkel.« Der kalte Wind tat an den Ohren weh. Ich schlug den Kragen meines Trenchcoats hoch. Sean starrte mich an.
»Was denn?«, fragte ich.
»Sie sehen … wunderschön aus.«
Es überkam mich siedend heiß, und nachdem ich mich wieder gefangen hatte, blieb ein angenehmes Kribbeln zurück. »Äh, danke.«
Wir gingen über den leeren Parkplatz und betraten dann den gepflasterten Fußweg, der zum Wald führte. Thoreau stürmte voraus, zog an seiner Leine und schnüffelte und markierte nach Herzenslust.
Ich trat nach einem Stein. »Darf ich Sie mal was fragen?«
»Sicher.«
»Wer ist eigentlich Cara?«
Er blieb stehen. »Woher wissen Sie denn …« Er unterbrach sich selbst. »Das Telefonat gestern in meinem Büro?«
Ich nickte. Und wartete.
»Sie ist meine …«
Los jetzt, bringen wir es hinter uns. »Was?«
»Exverlobte.«
»Die Unterhaltung gestern Abend klang aber gar nicht ex-mäßig. Für jemanden einkaufen zu gehen zeugt schon von einer gewissen Vertrautheit.«
Er starrte mich an, seine grauen Augen und dunklen Wimpern verzauberten mich. »Wir machen schon lange eine schwierige Zeit durch. Trennen uns, sind dann mal wieder zusammen. Wir versuchen, es irgendwie wieder hinzubiegen, aber so langsam wird doch klar, dass es vorbei ist. Es ist schwer, uns die Wahrheit einzugestehen, aber wir müssen beide loslassen. Wir wohnen noch zusammen, haben aber getrennte Schlafzimmer.«
»Ah.«
»Lucy, ich mag dich«, duzte er mich plötzlich. »Dadurch, dass ich dich kennen gelernt habe, habe ich endlich begriffen, was ich eigentlich schon längst wusste – dass ich die Sache mit Cara beenden muss. Und zwar ein für alle Mal. Aber wie ich schon gesagt habe, es ist schwierig. Da sind so viele Gefühle mit im Spiel.«
Ich mochte ihn auch. Viel zu sehr, um es ihm zu sagen. Denn das konnte womöglich zu etwas führen, was ich am nächsten Morgen bereuen würde. Vor allem dann, wenn Cara vielleicht immer noch glaubte, dass sie ihre Beziehung mit Sean retten konnte.
Wir erklommen den steilen Hügel, was ganz schön in die Beine ging. Unterwegs begegneten wir niemandem. Da waren nur wir, der Wind und mein Wunsch nach etwas, das niemals wahr werden durfte. Denn selbst wenn es da keine Cara gäbe, würde ich mich immer noch hüten, mich mit ihm einzulassen. »Wir haben den Pfad verpasst.«
»Was für einen Pfad?«
»Es gibt hier irgendwo einen Trampelpfad mit Stufen aus Kalkstein.« Ich war so in die Unterhaltung mit Sean vertieft gewesen, dass ich nicht aufgepasst hatte.
Wir standen auf dem gepflasterten Weg, direkt an einem Abhang. Zu unserer Rechten lag in bedrückender Stille das Baseballfeld da und sehnte sich nach kleinen Kindern mit ihren Schlägern. Zu unserer Linken tanzte der Mond auf der Oberfläche des Weymouth Back River. Ein wirklich zauberhafter Anblick, aber dafür hatte ich jetzt keine Zeit.
Ich drehte um, ging den Weg zurück, über den wir gekommen waren, und leuchtete mit der Taschenlampe links ins Dickicht. Und bald entdeckte ich auch schon das, wonach ich suchte. Eine Steintreppe, die zurück in Richtung Parkplatz führte.
Wir stiegen die steinernen Stufen hinunter, wobei ich mit den Absätzen immer mal wieder hängen blieb. Etwa auf halber Höhe sah ich nach rechts. Hier und da entdeckte ich dünne Bäumchen, dichtes Laub bedeckte den Boden. Nach etwa dreihundert Metern blieb ich wie angewurzelt stehen.
»Was?«, fragte Sean.
»Ich bleibe hier. Könntest du jetzt vielleicht die Schaufel holen? Du kannst einfach die Treppe weiter runter bis zum Parkplatz gehen.«
Er starrte mich lange prüfend an, und sein Blick verriet, wie viele Fragen ihm durch den Kopf gingen.
»Bitte?«, fügte ich hinzu.
Er reichte mir die Leine, drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit.
Ich hockte mich hin und ließ Thoreau an mir hochspringen und mich ablecken. Ich war nicht besonders religiös – meine Eltern gehörten nicht zu den Leuten, die in die Kirche gingen –, aber Dovie hatte mich von Zeit zu Zeit heimlich in den Gottesdienst mitgenommen. Ich brauchte fast eine ganze Minute, um mich an irgendein Gebet zu erinnern. Ich sagte es ruhig und leise vor mich hin. Dann und wann fiel mir das eine oder andere Wort nicht mehr ein. Bei der Vorstellung, die Ruhe der Toten zu stören, stieg in mir absolute Panik auf.
Eine Minute später war Sean mit der Schaufel in der Hand wieder da. »Was nun?«, fragte er.
»Jetzt graben wir.«
»Lucy, ich denke, ich
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