Im Auftrag der Liebe
riss seine Hand los.
Benommen lehnte ich mich gegen den Baum. Ich hatte genug gesehen.
Ich schaute zu den beiden Männern hoch, die mich anstarrten.
Und dann lächelte ich. So breit, dass mir die Wangen wehtaten. Tränen brannten in meinen Augen. So wie die, die ich auf Max’ Gesicht gesehen hatte.
Ich konnte kaum flüstern. »Er lebt. Ich bringe Sie zu ihm.«
◊ 12 ◊
D etective Lieutenant Holliday war jetzt auf der Hut. »Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist. Warum erklären Sie mir nicht, wo er ist, und ich hole ihn dann.«
Seine Stimme hatte inzwischen den Tonfall angenommen, in dem man wohl mit Verrückten spricht.
»Ich kann Ihnen den Weg nicht beschreiben«, erklärte ich. »Das Gestrüpp ist zu dicht. Ich muss den Bildern in meinem Kopf folgen.«
»Was sind Sie?«, fragte John. »Eine Hellseherin?«
Ich ignorierte ihn. »Er lebt. Er ist etwa zwei oder drei Meilen von der Bootsrampe entfernt. In einem hohlen Baum. Er weint«, fügte ich leise hinzu.
John packte mich am Arm. »Zeigen Sie mir den Weg!«
»Moment«, warf Holliday ein und zog John von mir weg. »Ich hole Verstärkung.«
Panik überkam mich. Je weniger Menschen von mir wussten, desto besser. »Nein!«
»Warum nicht?«, wollte Holliday wissen.
»Nicht noch mehr Leute. Bitte.« Ich sah mich um. In der Nähe der Straße standen zwei Quads, überwacht von einem Beamten der Lokalpolizei. »Wir nehmen die Geländefahrzeuge und machen uns direkt auf den Weg. Wenn wir Max erst gefunden haben, können Sie immer noch Verstärkung rufen.«
»Mir passt Ihr Plan nicht.«
»Und was ist mit meiner Frau?«, erkundigte sich John.
Ich konnte jetzt nicht nachgeben. »Sie wird Max früh genug sehen. Noch mehr Leute sind mir nicht recht. Wir machen es auf meine Art, oder ich gehe.« Es war eine nicht sehr überzeugende Drohung, die ich doch nie wahrgemacht hätte. Nicht, wenn Max’ Leben auf dem Spiel stand.
»Mein Gott«, flehte John. »Können wir nicht einfach fahren?«
»Na gut«, gab Holliday widerwillig nach.
Auf dem Parkplatz auf der anderen Straßenseite gab Holliday dem Lokalbeamten ein Zeichen, und ich setzte mich auf eins der Quads. Es war schon ein paar Jährchen her, dass ich so ein Gefährt in den Dünen am Strand von Plymouth gelenkt hatte.
John stieg auf das andere Fahrzeug. Holliday stand da und sah hin und her. Offensichtlich wusste er nicht, bei wem er besser mitfahren sollte. Nach kurzem Überlegen stieg er zu mir auf und brauchte eine Weile, um sich darüber klar zu werden, was er mit seinen Händen anfangen sollte. Schließlich beschloss er, sich einfach am Sitz festzuhalten.
Ich schob mir das Kleid unter die Beine und schüttelte die Stöckelschuhe von den Füßen. Lieber barfuß, als damit irgendwo hängen zu bleiben.
Dann bat ich John, uns den Weg zur Bootsrampe zu zeigen, denn dort hatte meine Vision eingesetzt. Müde aussehende Suchende traten beiseite, als wir vorbeifuhren. An der Bootsrampe übernahm ich die Führung. Bald waren wir mitten im Wald, holperten über Baumwurzeln, quetschten uns durch enge Zwischenräume und rissen dabei kleinere Pflanzen aus.
Die Scheinwerfer der Quads warfen im dunklen Wald ein gespenstisches Licht voraus. Von Zeit zu Zeit leuchteten uns aus dem Dickicht die schillernden Augen irgendeines nachtaktiven Tieres entgegen.
Ich war dankbar für die Wärme, die Holliday hinter mir ausstrahlte. Mir war so kalt. Ein ums andere Mal rief ich mir in Erinnerung, dass diese Unannehmlichkeiten nichts im Vergleich zu dem waren, was Max durchmachen musste.
Ich folgte den Bildern in meinem Kopf. Der Pfad schien sich zu sehr zu verengen, und ich wurde langsamer.
»Was ist los?«, brüllte Holliday, um den Motorenlärm zu übertönen.
»Ich brauche einen Moment«, rief ich zurück.
»Wenn das jetzt alles umsonst …«
»Pst«, schnitt ich ihm das Wort ab.
Ich schloss die Augen und gab mich ganz den Bildern hin. Es war schwierig, die Dinge in der Dunkelheit wiederzuerkennen, aber mir war sofort klar, dass wir zu weit gefahren waren. »Wir müssen zurück. Wir sind schon vorbeigefahren.«
»Ich dachte, Sie wüssten, was Sie tun«, bemerkte der Polizist trocken.
»Halten Sie den Mund. Bitte.« Ich verließ den Pfad, um zu drehen.
»Was ist los?«, fragte John, als wir kehrtmachten.
»Wir sind zu weit gefahren«, rief ich zu ihm hinüber.
Ich las die Enttäuschung auf seinem Gesicht. Und dann auch die Zweifel. Er dachte, ich hätte ihn aus Jux und Tollerei hier herausgeführt, dass
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