Im Auftrag der Liebe
der man annahm, dass es sich um Rachel Yurio handelte, die seit fünf Jahren vermisst wurde. Er hatte natürlich keine Ahnung, dass die beiden Geschichten eine Gemeinsamkeit hatten – nämlich mich.
Zum Glück war in den Medien nicht erwähnt worden, dass ich Rachel Yurio gefunden hatte. Zumindest noch nicht.
Jemand klopfte ans Fenster, und ich machte mir vor Schreck fast in die Hosen.
»Was treibst du denn hier draußen?«, fragte Marisol.
Ich öffnete die Autotür. »Auf dich warten.«
»Das hättest du doch auch drinnen machen können«, bemerkte sie und küsste mich auf beide Wangen.
Sie sah wunderschön aus, ihr schwarzer Bob glänzte im Mondlicht. Der verschwindend kurze Rock brachte ihre Beine richtig zur Geltung, ihr ausladendes Dekolleté hatte sie allerdings unter einem Top mit hohem Kragen versteckt. Stöckelschuhe rundeten den Look ab.
Das sah für mich ganz danach aus, als wollte sie da jemanden beeindrucken.
Und ich? Ich trug eine schwarze Hose mit geradem Bein, einen schwarzen Rollkragenpulli, eine dicke Silberkette, die Dovie mir zu Weihnachten geschenkt hatte, und schwarze Stiefel mit hohem Absatz. Und in denen ich meine Füße verstecken konnte, auch wenn der Schmerz fast unerträglich war.
»Wir sollten lieber reingehen, bevor du dir noch den Tod holst«, schlug ich vor.
»Ist das eine Anspielung auf meinen Rock?«
Ich lachte. »Und ob.«
»Du bist ja nur neidisch«, sagte sie.
»Das wird es wohl sein«, gab ich locker zurück. »Ich bin so froh, dass du heute kommen konntest.«
»Du weißt doch, dass ich meiner besten Freundin immer gerne einen Gefallen tue.«
Mir einen Gefallen tun? Klar. Als ob es hier nicht um Butch und seine Ähnlichkeit mit Matt Damon ginge.
Wir setzten uns an die Theke, und ich brachte sie auf den neuesten Stand, was Em betraf.
»Ich fand immer schon, dass sie nicht der Typ für ein Medizinstudium ist.« Marisol gab dem Kellner ein Zeichen, und wir bestellten unsere Getränke. »Es hat mich gewundert, dass sie überhaupt so lange durchgehalten hat.«
»Und ich dachte immer, dass sie eine tolle Ärztin werden wird.« Im Fernsehen lief ein Sportsender. Gut. Ich hatte keine Lust, den ganzen Abend immer wieder das Phantombild von mir über den Bildschirm flimmern zu sehen.
»Das ist kein Job für jemanden mit einem so großen Herzen. Sie ist zu mitfühlend. Zu empfindsam.«
»Man sollte doch meinen, dass das bei Ärzten von Vorteil ist.«
Sie nippte an ihrem Wein. »Aber lediglich in Maßen. Wenn du immer nur gibst und gibst und gibst, dann ist irgendwann nichts mehr von dir übrig. Mit den herzerweichenden Aspekten des Berufs kann man so nicht umgehen.«
»Em bleibt eine Weile bei mir und versucht, sich über alles klar zu werden.«
»Wissen ihre Eltern davon?«
»Nein. Und sie will, dass es auch so bleibt.«
»Mrs Baumbach wird darüber nicht gerade glücklich sein.«
Gillian Baumbach war der größte Kontrollfreak, dem ich je begegnet war. Nach außen hin war sie zuckersüß, innerlich aber knallhart. Egal, was Em auch anfing, sie mischte sich immer ein und hatte dem Krankenhaus, in dem ihre Tochter arbeitete, sogar Geld für einen Anbau gespendet, um Em den Job zu sichern.
Wenn sie jetzt kündigte, dann würden die Fetzen fliegen.
»Ich weiß.«
»Und was war das heute für ein Anruf von dir?«, fragte Marisol. »Polizei?«
»Das ist eine lange Geschichte«, erwiderte ich und überlegte, was ich ihr am besten erzählen sollte.
»Komm, wir setzen uns an einen Tisch«, schlug Marisol vor, während sie vom Barhocker hüpfte. Sie brannte offensichtlich darauf, alle Einzelheiten zu hören. Ich konnte nur hinterherhinken, während sie einer Kellnerin folgte.
»Es war nett von Butch, dass er für diese Verabredung an mich gedacht hat«, bemerkte Marisol und schlängelte sich zwischen den Tischen durch.
»Sicher. Und total selbstlos«, gab ich trocken zurück.
Sie schob sich in eine der Nischen an der Wand. »Was soll das denn heißen?«
Ich nahm ihr gegenüber Platz. »Er mag dich. Dieses ganze Date ist nur ein Trick, um dich wiederzusehen.«
Sie riss die braunen Augen weit auf. »Nie im Leben.«
»Doch.«
»Meinst du wirklich?«
»Warum kommt es mir eigentlich so vor, als wären wir auf einmal wieder in der sechsten Klasse?«
»Aber er ist doch Metzger!«
Ich zuckte mit den Achseln. »Es sind schon seltsamere Dinge passiert.« Man denke nur an Lola Fellows und ihren Müllmann.
»Was ist denn jetzt mit diesem Polizisten?«, wollte Marisol
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