Im Auftrag der Liebe
sich in einer Ecke zu einem Knäuel zusammengerollt und war unter den Sägespänen kaum zu erkennen. »Klar. Was meinst du, wie lange du bleiben wirst?«
»Eine Woche. Vielleicht zwei.«
»Em, was ist los?«
»Ich will nicht darüber reden.«
»In Ordnung«, seufzte ich, wünschte mir jedoch, sie würde mit der Sprache rausrücken. »Du kannst so lange bleiben, wie du möchtest.«
»Eigentlich sollte ich ja endlich erwachsen werden und wieder nach Hause gehen.«
»Es würde diese Unterhaltung enorm erleichtern, wenn ich wüsste, warum du dich da überhaupt aus dem Staub gemacht hast.«
»Ich will wirklich nicht darüber reden«, wiederholte sie und legte sich den Unterarm über die Augen.
So kamen wir nicht weiter. »Hast du schon was gegessen?«, fragte ich. »Ich kann dir ein Omelett machen.«
»Ich hab keinen Appetit.«
»Okay.« Ich hingegen war am Verhungern, wie mir plötzlich klar wurde. Ich hinkte in die Küche.
»Humpelst du etwa?«, fragte Em.
Ich brachte dieselbe lahme Ausrede mit dem Zeh vor, den ich mir angeblich gestoßen hatte.
»Du hast dir auf beiden Seiten den Zeh gestoßen?«
Einer Ärztin würde natürlich nicht entgehen, dass mir beide Füße wehtaten.
»Es geht schon«, murmelte ich.
Sie setzte sich auf. »Was ist los?«
Ich holte Eier, gewürfelten Schinken und eine grüne Paprika aus dem Kühlschrank. Omeletts gehörten zu den wenigen Gerichten, die ich richtig gut hinbekam. »Die Frage gebe ich direkt wieder zurück.«
»Ich will nicht darüber reden.«
Ich tippte mir mit dem Finger an den Kopf und lächelte. »Ich auch nicht.«
»Das ist nicht fair.«
Ich schlug drei Eier in eine Schüssel. »Das Gleiche habe ich auch gedacht.«
Sie zog sich ein Kissen übers Gesicht.
Ein Stück Butter zischte in der Pfanne. Ich fügte Paprika- und Schinkenstückchen hinzu und rührte um.
Ich freute mich schon auf den Tag, an dem in meinem Leben alles wieder normal verlaufen würde. Keine verschwundenen Kinder mehr. Keine Visionen von Toten. Ich musste einfach nur damit aufhören, Seans Hand zu berühren, und mein Bestes geben, um das Bild von uns beiden im Bett zu vergessen.
Jetzt galt es nur noch, Michaels Namen reinzuwaschen, bevor ich zur Normalität zurückkehren konnte. Aber dazu musste ich erst mal herausfinden, wer Rachel umgebracht hatte.
Ich lachte. Gar kein Problem.
»Was ist denn so amüsant?«, fragte Em.
»Ach, nichts.«
Ich verquirlte die drei Eier mit mehr Nachdruck, als eigentlich nötig war, fügte ein wenig Wasser hinzu und gab die Mischung in die Pfanne. Als ich die Ränder des Omeletts bearbeitete, klingelte mein Handy.
Es war Butch.
»Ich wollte nur sichergehen, dass mit dir alles in Ordnung ist«, sagte er.
Ich konnte mir schon denken, wer ihm meine Handynummer gegeben hatte. »Mir geht es gut. Das mit gestern Abend tut mir leid.«
»Mir auch. Eigentlich rufe ich auch an, um zu fragen, wann wir unsere Verabredung denn nachholen.«
Ich war drauf und dran, ihm einfach einen Korb zu geben. Es wäre besser gewesen, ihm zu sagen: »Nein danke, wir bleiben doch besser nur Freunde«, bla, bla, bla, aber ich hatte ihn schon zweimal hängen lassen. Und außerdem würde er mich vielleicht von Sean ablenken.
Bevor ich etwas erwidern konnte, fügte Butch hinzu: »Ich hatte gedacht, wir könnten uns vielleicht zu viert treffen.«
Irgendetwas in seinem Tonfall ließ mich aufhorchen. Ich gab etwas geriebenen Cheddarkäse über das Omelett und sah dabei zu, wie er auf der Oberfläche zu blubbern begann. »Oh, wirklich?«, fragte ich.
»Ja. Ich habe mir gedacht, mein Mitbewohner würde bestimmt gerne deine Freundin Marisol kennen lernen.«
Ich musste grinsen. Manchmal waren Männer so leicht zu durchschauen. Gestern Abend war schließlich sonnenklar gewesen, dass Butch selbst Marisol mochte. Und so hatte er eine Möglichkeit, sie wiederzusehen. Da ich ahnte, dass die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruhte, Metzger hin oder her, stimmte ich zu.
»Heute Abend?«, fragte er. »Gleiche Uhrzeit, gleicher Ort?«
»Ich müsste Marisol noch fragen, aber in Ordnung.«
Vielleicht war es sogar ganz lustig, selbst wenn er mich nur benutzte, um meine Freundin wiederzusehen.
Wir verabschiedeten uns, während Em zur Küchenzeile herüberkam und sich auf einen Hocker hievte.
Ich drehte das Omelett um und ließ es dann aus der Pfanne auf einen Teller gleiten, wo ich es halbierte. Anschließend reichte ich den Teller an Em weiter und griff nach einer Gabel, um mich über meine
Weitere Kostenlose Bücher