Im Auftrag der Liebe
um.
»Außer wem?«
»Der einzige Mensch, der Rachel wirklich gehasst hat, war …«
Auf einmal dämmerte es mir. »Jennifer Thompson.«
Elena nickte langsam. »Sie hat uns beide gehasst. Aus gutem Grund.«
Marilyn Flynn wartete bereits auf Sean und mich.
Als ich klopfte, zog sie rasch die Tür auf. »Kommen Sie herein, kommen Sie bitte«, bat sie.
»Wir können leider nicht bleiben«, winkte ich ab und reichte ihr den Schlüssel des Lagerraumes. Es war ein langer Tag gewesen, und ich wollte nach Hause.
Ich musste die ganze Zeit an Jennifer Thompson denken. Vielleicht war sie deshalb von der Bildfläche verschwunden, weil sie Angst hatte. Nicht vor Elena, sondern davor, dass man sie schnappen würde. Was, wenn sie an Rachels Tod schuld war?
Was, wenn ihre Eltern sie davor beschützten? Vor einer Mordanklage?
»Konnten Sie unter Rachels Sachen etwas finden, das Ihnen bei Ihren Ermittlungen weiterhilft?«
Ich schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht.«
»Und, haben Sie das Schmuckkästchen?«, erkundigte Marilyn sich mit hoffnungsvollem Blick.
»Ja und nein«, antwortete ich.
Sie neigte verwirrt den Kopf.
»Das Kästchen war nicht im Lagerraum. Elena hat es.«
»Elena?«
»Sie behauptet, Rachel hätte es ihr zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt. Wissen Sie, ob das stimmt?«
Die alte Dame verzog enttäuscht das Gesicht. »Ich weiß es nicht. Ich kann einfach nicht glauben, dass Rachel das Kästchen weggegeben hat.« Tränen schossen ihr in die Augen. »Wie konnte sie nur?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich sanft und fragte mich, ob Elena es in Wirklichkeit vielleicht doch gestohlen hatte. »Es tut mir leid.«
»Es wäre schön gewesen, die Schatulle zurückzubekommen, aber wenn sie jetzt Elena gehört, dann gehört sie eben Elena.«
»Vielleicht könnten Sie sie darum bitten?«, schlug ich vor. »Sie würde es bestimmt verstehen.«
»Das könnte ich nie!« Marilyn schüttelte den Kopf.
»Es tut mir leid. Wir müssen los.« Ich stupste Sean an. »Vielen Dank für Ihre Hilfe, Ms Flynn. Ich wünschte nur, wir könnten mehr für Sie tun. Ich hoffe, dass die Situation bald geklärt ist.«
Sie lächelte bitter, als ob sie wüsste, dass auch eine Klärung ihr und Ruth Ann Yurio keinen Seelenfrieden bringen würde.
Als Sean und ich zum Auto gingen, griff er nach meiner Hand.
Vor meinen Augen rollten träge Bilder vorbei, und ich schloss angesichts des Schwindelgefühls die Augen, während mein Körper schwankte.
Er zog die Hand zurück und hielt mich fest. »Entschuldige, daran hatte ich gar nicht gedacht. Was hast du gesehen?«
Mein Herz schlug wie verrückt in der Brust, als ob es sich erschrocken hätte. Und dazu hatte es bei dem, was die Bilder mir gezeigt hatten, auch allen Grund.
»Lucy?« Er schob mir die Hand unters Kinn. »Was war das für eine Vision?«
Ich musste schlucken. »Du und ich zusammen im Bett.«
»Das klingt doch gut. Warum machst du dann so ein Gesicht?«
»Es war ein Krankenhausbett.«
◊ 23 ◊
S eit ich ihm von meiner Vision erzählt hatte, war Sean erstaunlich still. Wir waren beinahe bei meinem Häuschen angekommen, und ich musste zugeben, dass diese Bilder auch mir Angst machten.
»Alles klar bei dir?«, fragte ich schließlich.
»Mir geht’s gut.«
Ich atmete tief durch. Es passte mir gar nicht, dass ich nicht wusste, wie es zwischen uns stand. Es gefiel mir nicht, dass ich nur vage Antworten bekam, wenn ich ansprach, was mir durch den Kopf ging.
Vielleicht hatte sich Amors Fluch schon längst an die Arbeit gemacht.
Dieser Gedanke stimmte mich noch missmutiger.
Ganz bewusst atmete ich tief durch und versuchte, an etwas anderes zu denken. Langsam wurde es dunkel, und die Straßenlaternen gingen an. Ich zog mein Handy hervor und schaute auf das Display, um zu sehen, ob meine Eltern angerufen hatten. Wenn dem so war, dann würde ich es nicht erfahren – die Batterien waren leer.
Ich schob das Handy zurück in die Tasche, schimpfte insgeheim mit mir selbst dafür, es nicht aufgeladen zu haben, und zwang mich dazu, mich auf die Aussicht zu konzentrieren.
Sieben mal sechs gleich zweiundvierzig.
Hundertvierundvierzig minus vierundzwanzig gleich hundertzwanzig.
Neunundneunzig plus neunundneunzig gleich hundertachtundneunzig.
Zweihundertsiebenundneunzig mal drei gleich …
Ich runzelte die Stirn und versuchte, die Aufgabe im Kopf zu lösen, blieb aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund bei der Frage hängen, wie viel neun mal drei ist. Ich
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