Im Auftrag der Liebe
bemerkte er.
»Ich denke nur nach.«
»Über Rachel?«
»Ja«, log ich.
»Sie hatte nicht viele Sachen, oder?«
Der Lagerraum war kleiner gewesen, als ich angenommen hatte. Rachels Besitztümer waren alle ordentlich in beschriftete Kartons gepackt worden. Es war nicht viel gewesen – eine kleine Sitzecke aus zwei Sesseln und einer Couch, das Gestell eines Doppelbetts, ein paar kleinere Beistelltischchen, ein kleiner Fernseher und ein wuchtiger Wohnzimmertisch. Ihre Kleider passten in drei Kartons. In einem vierten stapelten sich verschiedene Küchenutensilien. Ihre persönlichen Gegenstände befanden sich in einer kleinen Schachtel.
Wir fanden auch ein paar billige Ohrringe, ein goldenes Armband und ein herzförmiges Medaillon mit den Fotos eines Mannes und einer Frau, von denen ich – nach dem Gespräch mit Marilyn gestern – annahm, dass es sich um Rachels Eltern handelte.
Der Verkehr auf dem Highway wurde langsamer. Diese Route hatte ich oft mit Raphael zurückgelegt, wenn wir zu einem Spiel der Pawntucket Red Sox im McCoy Stadium gefahren waren. Elena lebte nicht weit vom Stadion entfernt, in einer malerischen, ein wenig abseits gelegenen Allee, die von hohen Ahornbäumen eingerahmt war und an der jede halbe Meile ein Farmhaus im Stil der 1950er-Jahre stand. Das Einzige, was an der Gegend ein wenig störte, waren die Schienen des Pendlerzugs hinter den Häusern.
Elena wohnte ganz am Ende einer Sackgasse. Eine gestutzte Hecke bildete einen L-förmigen Zaun, der die Grenze zum Nachbarhaus markierte und hinten zu den Schienen hin Sichtschutz bot. Auf der anderen Seite endete das Grundstück an einem fast zwei Meter hohen Holzzaun. Dahinter erstreckte sich ein dichter Wald, und die Abzäunung sollte vermutlich dazu dienen, den sorgfältig gestalteten Gartenbereich vor hungrigem Wild zu schützen.
In der gepflasterten Einfahrt parkte ein Honda Civic. Als wir den Weg zum Haus entlanggingen, kreischte der Pendlerzug vorbei, auf dem Weg zur South Station in Boston. Der Boden erzitterte.
Meine Knie waren auch ein wenig zittrig. Vor allem deshalb, weil ich nicht wusste, was ich von Elena Hart zu erwarten hatte. Mir war auch aufgefallen, dass Sean heute seine Waffe mitgenommen hatte. Offensichtlich war ich hier nicht die Einzige, die nervös war.
Sean klingelte.
Das Haus war erst vor Kurzem in einem kühlen Gelbton gestrichen worden. Grüne Fensterläden umrahmten das Fenster an der Vorderseite. Eine gefegte Treppe und zwei Blumentöpfe mit Chrysanthemen hießen uns willkommen. Alles war ordentlich und sauber. Einfach perfekt.
Die Tür wurde geöffnet. Eine Frau sah heraus. Glänzendes blondes Haar fiel in leichten Wellen herab und umrahmte ihr ovales Gesicht. Sie blinzelte uns aus dunkelblauen Augen an. »Ja?«
»Elena Hart?«, fragte Sean.
»Inzwischen heiße ich eigentlich Delancey«, entgegnete sie mit skeptischem Lächeln.
»Ich bin Sean Donahue, Privatdetektiv, und das ist Lucy Valentine.« Er reichte ihr eine Visitenkarte. »Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen über Rachel Yurio stellen.«
Elena riss die Augen auf. »Rachel? Die habe ich ungefähr seit«, sie verstummte kurz, »seit fünf oder sechs Jahren nicht mehr gesehen.«
Sean fragte: »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir kurz hereinkommen?«
Sie trat beiseite und hielt uns einladend die Tür auf. Sie trug dunkle Jeans und einen rosafarbenen Pullover mit Zopfmuster. Ihre bloßen Füße schritten auf dem Eichenfußboden lautlos voran. Die Zehennägel hatte sie in blassem Pink lackiert.
Sie war überhaupt nicht so, wie ich sie mir vorgestellt hatte – rau und hart. Ein übles Miststück. Ich nehme mal an, irgendwann wird jeder erwachsen.
»Kommen Sie ruhig herein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich Informationen habe, die Ihnen nützlich sind. Wie gesagt, das ist schon lange her. Was genau untersuchen Sie denn?«
Sean und ich sahen uns an. Sie wusste es also nicht. Oder tat zumindest so.
Der Platz im kleinen Wohnzimmer war bestmöglich ausgenutzt worden. Zwei kleine, plüschige Sofas standen einander gegenüber, dazwischen hatte man ein Tischchen mit Glasplatte gezwängt. Es gab einen gemauerten Kamin mit einem schmiedeeisernen Gitter davor. Die Wände waren in einem cremigen Goldton gestrichen. Auf dem Kaminsims standen Fotos von Elena mit einem dunkelhaarigen Mann und zwei Babys, einem Jungen und einem Mädchen. Dutzende von eingerahmten Bildern der Kinder hingen an den Wänden. Es war ein gemütlicher,
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