Im Auftrag der Rache
nicht .
Erstarrt hockte sie inmitten des Wahnsinns dieser Nacht, während die Schreie der Sterbenden und die Gewalt überall um sie herum auf sie eindrangen. Sie hasste es mit jeder Faser ihres Seins. Sie hasste das Verlangen der Männer, zu kämpfen und zu erobern und die Welt auseinanderzureißen, nur um ihre kindischen Bedürfnisse zu befriedigen.
Der verwundete Soldat ächzte vor Schmerzen auf und murmelte etwas mit ausgetrockneten Lippen. Sie schaute hinunter auf ihn. Er trug einen Bart und war mittleren Alters. Bestimmt war er jemandes Vater. Und jemandes Ehemann. Löckchen erinnerte sich an das, was sie hier eigentlich tun sollte.
Sie überprüfte seinen Puls und stellte fest, dass er noch immer stark schlug. Hastig durchwühlte sie ihren Medicobeutel und suchte nach der Pipette mit dem Sansamen. Sie öffnete ihm den Mund und träufelte einige Spritzer auf die Zunge. Er ächzte erneut auf, und sie goss ihm etwas Wasser aus ihrer Flasche in den Mund. »Danke«, keuchte er und versuchte sich auf die Seite zu rollen.
»Nicht bewegen«, sagte sie, nahm eine Kompresse heraus und drückte sie ihm gegen die Wunde.
Die leichte Infanterie um sie herum wurde von den herannahenden Formationen der Reichsarmee zurückgedrängt. Die Soldaten feuerten Pfeile und Granaten auf den Feind. Schwadronen rauschten an ihr vorbei und versuchten die vorrückende Masse von der Flanke her anzugreifen.
Eine Explosion erschütterte die Nacht. Keine zehn Schritte von ihr entfernt fiel ein Mann mit dem Gesicht nach unten in den Schnee.
»Fest drücken!«, rief sie dem Freiwilligen zu, ergriff seine feuchte Hand und presste sie auf den Verband. Seine Augen rollten weg, fanden sie wieder. »Drücken!« sagte sie zu ihm. Er blinzelte ihr zu und zeigte ihr so, dass er sie verstanden hatte.
Löckchen riss einen der dünnen Stäbe aus dem Köcher über ihrem Rücken. Am einen Ende war eine Pfeilspitze befestigt. Sie wischte etwas Schnee vom Boden weg und rammte den Stab hinein, bis er fest war. An seinem oberen Ende entrollte sie eine kleine weiße Flagge, so dass die Bahrenträger den Verwundeten leichter fanden. Dann schaute sie hinüber zu dem anderen Verwundeten, der nicht weit von ihr entfernt lag.
Sie hielt sich die Hand über den Kopf und rannte auf ihn zu.
*
»General!«, rief Bahm, als sie in einiger Entfernung voneinander in der Frontlinie der Chartassa liefen. »General Reveres will Verstärkung auf der linken Seite haben. Er sagt, die Siebte Chartassa ist verloren, und die Sechste wird zurückgedrängt.«
»Verloren?«
»Irgendwie wurde sie vom Hauptkontingent abgeschnitten. Er weiß nicht, wo sie ist.«
Der General stürmte mit seinen Leibwächtern im Schlepptau auf Bahm zu. Das lange Haar lag ihm nass auf den Schultern seines Bärenfellmantels. Wenn dieser Mann wütend war, schien er überlebensgroß zu sein.
»Diese verdammten Narren, was machen sie da drüben?«
Bahm hatte keine Antwort für ihn.
Schnaubend richtete sich Glaub auf und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Er schaute zurück zu den Bogenschützen und den Jungen mit den Schleudern, die in einem langen Korridor innerhalb der festen Formation der Armee verteilt waren. Sie hatten keine Schilde, mit denen sie sich gegen die heranfliegenden Geschosse hätten schützen können, und erlitten daher große Verluste. Hinter ihnen und den hin und her laufenden Medicos und Bahrenträgern war es so dunkel, dass die leichte Infanterie, die den rückwärtigen Teil der Formation bildete, nicht mehr zu sehen war. Sie schien im Takt der Trommeln zurückzuweichen. Dann sah der General wieder nach vorn zu den Frontlinien.
Ein Pfeil traf einen der hoch ausgestreckten Schilde, die ihn schützten. Der Leibwächter schaute skeptisch auf die mit Stacheldraht umwundene Spitze, die seinen Schild durchbohrt hatte; es war bereits die dritte. Sie gingen jetzt nieder wie heftiger Regen.
Kaum sechs Schritte von Bahm entfernt spießte ein fliegender Speer einen Medico auf den Boden. Der junge Mann kreischte und taumelte, und rosafarbener Schaum blubberte aus seiner Wunde.
Bahm keuchte und versuchte alles zu verdrängen, was um ihn herum geschah. Der Vormarsch war ins Stocken geraten. Sie drängten noch immer nach vorn, aber äußerst langsam, und nun schien es sogar so zu sein, dass die Reichsarmee sie auf der linken Flanke zurückschob. Schlimmer noch, die gesamte Armee war nun umzingelt und hatte keine Hoffnung mehr auf ein Entkommen.
Hauptmänner und Sergeanten
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