Im Auftrag der Rache
Sparus fand. In der Niederlage hatte sich der lagosische Aufstand als kühne Narrheit herausgestellt. Und nun würde die Widerspenstigkeit von Khos und den Freien Häfen ebenfalls zu deren Untergang führen. Die Schlachten von Coros, Chey-Wes und am Schild würden als die letzten hellen Momente eines Volkes in die Geschichte eingehen, das sich stur an die Vergangenheit geklammert und sich der neuen Weltordnung verweigert hatte.
Sparus bezweifelte dies nicht, denn er hatte so etwas schon oft miterlebt. Zwar behaupteten die Gelehrten, dass die Sieger die Geschichtsbücher schrieben, aber Sparus wusste, dass die Wahrheit viel tiefer lag. Es war der Sieg selbst, der das Geschichtsbewusstsein der Menschen formte und die Richtigkeit einer Sache bestätigte, während sich die Ansichten der Besiegten als falsch herausstellten. Ein Sieg bedeutete Kraft, während die Niederlage … eine Niederlage war nichts anderes als eine leere Hülse, die rasch weggeworfen wurde, während lediglich ihre Samen als Hoffnung für spätere Triumphe aufgewahrt wurden.
Wenn Mhann endlich die Freien Häfen und dann das Land der Alhazii erobert hatte, war dies das Ende des Kampfes um Herrschaft und Glauben. Und der Sieg wäre der Beweis dafür, dass Mhann auf der Seite des Rechts war.
Aber zuerst hatte er mit diesem Mann, diesem Protektor eine persönliche Rechnung zu begleichen, denn er hatte Sparus schon zweimal zum Narren gehalten: zum einen durch den nächtlichen Angriff und dann durch sein unerwartetes Entkommen vom Schlachtfeld. Und Sparus wusste genau, wie er sein Ziel erreichen konnte.
»Hauptmann Kunse«, sagte er, und sofort nahm der Hauptmann Haltung an, genau wie die anderen Offiziere um ihn herum. »Bereite unsere Stoßtruppen für einen nächtlichen Angriff vor. Sie sollen Flöße bauen, damit sie über den See setzen können. Wenn es dunkel wird, müssen die Anstrengungen bei der Brücke verdoppelt werden. Biete Freiwilligen Gold dafür, wenn es nötig sein sollte. Ich will, dass die Brücke heute Nacht fertiggestellt wird. Ist das klar?«
Mit seinem einzigen Auge sah er nach Westen und über die schweren Kanonen hinweg, die am Ufer standen und immer wieder feuerten. Gerade kehrte ein weiteres khosisches Luftschiff hoch über dem See zurück.
»Und unternimm etwas gegen diese Luftschiffe. Wir sollten den Khosiern nicht den Himmel überlassen, so dass sie alle entkommen können.«
»Aber unsere Vögel sind in Reparatur, Erzgeneral.«
»Das ist mir egal, Hauptmann. Wenn sie fliegen können, dann bringst du sie in die Luft.«
Sparus verlangte das Unmögliche, aber das war ihm gleichgültig. So etwas war schließlich typisch für einen General.
»Wir nehmen die Stadt morgen Nacht ein und erwischen Glaub, während er noch seine Männer evakuiert.«
Einige Offiziere grinsten nun; sie hatten die Ironie darin erkannt.
Ja , dachte Sparus, mal sehen, wie den Khosiern ihre eigene Medizin schmeckt .
*
Das Geklapper von hölzernen Tellern riss Ché aus seiner Trunkenheit.
Er sah, dass auf einem kleinen Esstisch eine Mahlzeit stand und er und Löckchen in einem privaten Raum saßen. An der einen Wand stand ein frisch bezogenes Bett. Vor dem Fenster in ihrem Rücken hing ein Samtvorhang, und auf dem Boden lag ein dicker Teppich. Doch trotz der Sauberkeit in diesem Zimmer roch es nach Feuchtigkeit und Moder.
Leises Lachen drang aus dem Gang und dem Schankraum am unteren Ende der Treppe durch die geschlossene Tür.
Ché setzte sich auf und starrte das Essen an, während sich die Welt langsam um ihn drehte. Für eine Weile hatte er vergessen, wer das Mädchen neben ihm war. Aber ihre Beine berührten sich, und es schien seiner Begleiterin nichts auszumachen. Also gab es etwas zwischen ihnen, auch wenn er sich nicht daran erinnern konnte, was es war. In seiner Hand steckte ein rauchender Haziistab. Er führte ihn an die Lippen und zitterte dabei. Als er den Rauch einatmete, spürte er jede einzelne Faser des Haziikrauts in seiner Kehle.
»Ausatmen, du Idiot«, sagte die junge Frau und nahm ihm den Stab ab. Ihre Wangen waren mit Essen aufgeplustert. Er saß mit dem Rauch in der Lunge da, tat gar nichts, starrte nur die zuckende Flamme der Kerze mitten auf dem Tisch an.
Schließlich atmete Ché aus und sah die junge Frau an. »Wie schön du bist«, sagte er.
Sie lächelte höflich, als ob sie diese Worte schon hundertmal gehört hätte, und widmete sich wieder ihrem Mahl.
»Du solltest etwas essen«, sagte sie zu ihm. »Es wird dir
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