Im Auftrag der Rache
Finsternis konnte er seinen alten Kameraden kaum sehen; er erkannte nur einen undeutlichen Umriss. Bahm bückte sich und griff nach Bulls Fuß, bis dieser ihn hob und auf Bahms Hände stellte, die zum Steigbügel geformt waren. » Jetzt «, flüsterte Bull und stieß sich mit dem anderen Fuß ab, während Bahm ächzend versuchte, ihn hochzuheben.
Bahm gelang es, ihn mit zitternden Armen einige Fuß nach oben zu bringen, während er sich mit dem Rücken an der Wand abstützte. Bull griff nach einer der hölzernen Gitterstangen. Er verfehlte sie und fiel zu Boden, als Bahms Kraft nachließ. Der Soldat regte sich über ihnen.
»Noch einmal«, sagte Bull. »Komm, du Bastard!«
Sie versuchten es erneut, und diesmal gelang es Bull, einen der schlüpfrigen Gitterstäbe zu packen. Das Holz knirschte noch lauter und gab ein wenig nach, als sein ganzes Gewicht daran hing. Die Regentropfen blendeten ihn.
» Halt mich fest «, zischte er hinunter zu Bahm und fingerte an den Lederriemen herum, die das Gitter verschlossen. Immer wieder musste er blinzeln, damit er etwas sehen konnte, während das Gesicht des Soldaten nur wenige Fuß von ihm entfernt war. Der Mann rollte mit den Augen, so dass nur das Weiße zu sehen war. Die Riemen waren schlüpfrig. Bull fluchte, zerrte an ihnen und versuchte sie zu öffnen.
Eine Schleife löste sich, und bevor er es richtig begriffen hatte, wickelte sich der Rest des Riemens von den Stäben ab. Er zog daran und warf den Riemen in die Grube.
Bull drückte gegen das Gitter, und es schwang auf. Er hing dort oben und holte tief Luft. Alle Kraft hatte ihn verlassen.
»Drück gegen mich«, sagte er hinunter zu Bahm. »Um der lieben Gnade willen, drück endlich!«
*
Bahm träumte; dessen war er sich sicher.
Sie gingen durch das Lager des Expeditionskorps, während ein eiskalter Regen fiel. Bull schritt voraus, gekleidet in die Rüstung eines Reichssoldaten, und er humpelte ein wenig. Die anderen schlurften hinter ihm her, stützten sich gegenseitig und starrten auf die ordentlichen Reihen von Notzelten, an denen sie vorbeikamen, sowie auf die Soldaten, die im Innern hockten.
Wenn er über die Schulter blickte, sah er den Simmersee und die Insel, auf der Tume lag. Die Stadt war heute grell erleuchtet. Das Lager erstreckte sich am Ufer entlang und war nicht weit von der Stelle entfernt, wo die Brücke auf das Land traf. Bahm sah aufgeschüttete Erdwälle in der Nähe dieser Brücke. In den letzten Tagen hatten sie Kämpfe gehört; Gewehrsalven waren ertönt, und Männer waren in großer Eile vorbeigeritten. Zuerst hatten sie gehofft und gebetet, es sei eine Rettungsmission, aber niemand war zu ihnen gekommen.
Dem belauschten Gemurmel ihrer Feinde zufolge schien es so zu sein, dass die Mhannier nun gegeneinander kämpften. Zumindest bot die Lage den Gefangenen eine Atempause von ihren Qualen. Die Prügeleien hatten aufgehört, genau wie die regelmäßigen Befragungen und die Verabreichung von Drogen. Es war, als seien sie vergessen worden.
Für Bahm war es eine lange Zeit des Brütens gewesen. Er hatte mit dem Wissen zurechtkommen müssen, dass er in diesem Alptraum der Grube ein Toter war, der nur noch darauf wartete, begraben zu werden. Inmitten der Verzweiflung seiner Lage hatte er in diesem Gedanken einen gewissen Frieden gefunden. Er hatte festgestellt, dass es möglich war, sich mit dem eigenen bevorstehenden Tod abzufinden und ihn sogar beinahe willkommen zu heißen, denn er würde das Ende aller irdischen Sorgen bringen.
Und nun das hier: dieser Traum, in dem er am hinteren Ende einer langen Reihe von Männern dahintaumelte, während die Regenschleier ihn blendeten und ihm die Eisenfesseln in die offenen Wunden seiner Haut schnitten.
Sie gingen und gingen, und ihr eigener fauliger Gestank trieb ihnen voraus. Ungehindert durchquerten sie hinter Bull das Lager und schlurften klirrend unter den leuchtenden Augen der Soldaten dahin, die elend und verwahrlost wirkten.
Vor Bahm machte der Mann namens Gadeon ein seltsames quäkendes Geräusch und scherte plötzlich aus der Reihe. Bahm packte ihn und rutschte mit den nackten Füßen durch den Schlamm, als er den Mann zurück in die Reihe zog.
»Bleib bei uns, Bruder«, flüsterte er. »Bleib jetzt bei uns.«
»Wir sollten zurückkehren«, sagte der Mann verängstigt. »Sie werden uns dafür bestrafen, wenn sie bemerken, dass wir weg sind. Sie werden uns wieder Verräter nennen oder Schlimmeres.«
Bahm war beschämt, den Mann so
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