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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Col Buchanan
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verließ und sich die leeren Hände abwischte.
    » Oh! «, rief Reese aus und packte sich vor Angst an die Brust. Sie entspannte sich wieder, als sie Asch erkannte. Ihre Blicke suchten nach Nico, und ihre Miene verzerrte sich, als sie ihn nirgendwo sah.
    »Asch«, sagte sie unter Mühen.
    »Reese Calvone.«
    Er bemerkte, wie sie seinen ungepflegten, abgerissenen Zustand in sich aufnahm. Immer stärkere Spannung zeichnete sich auf ihrem hübschen Gesicht ab. »Mein Sohn. Wo ist er?«
    Aschs Augen schlossen sich wie aus eigenem Willen – als ob sie wollten, dass er ihren Kummer nicht sehen musste. Beschämt senkte er den Kopf.
    »Nein«, flüsterte sie, als ihr die Erkenntnis dämmerte.
    Wie konnte er ihr nur das sagen, was er sagen musste? Asch zwang sich, sie wenigstens anzusehen.
    »Der Junge …«, begann er. Er brauchte seine ganze Willenskraft, um fortzufahren. »Reese Calvone, es tut mir leid. Er ist nicht mehr da.«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand an die Kehle. Ihre Haut nahm eine lebhafte rötliche Färbung an.
    Asch tastete nach der kleinen Tonphiole an seinem Hals, nahm sie ab und hielt sie Reese entgegen. Er erkannte, wie armselig dieses Gefäß wirkte. Armseliger noch als die Urne, die er Baracha gegeben hatte. Aber mehr konnte er ihr nicht anbieten, und er verspürte das zwingende Bedürfnis, ihr wenigstens etwas von ihrem Sohn zurückzugeben.
    »Ich … es … es tut mir so leid.«
    Reese starrte entsetzt die winzige Phiole an, als ob sie ein totgeborenes Kind wäre. In diesem Augenblick überwältigte ihn eine ungeheure Abscheu vor sich selbst.
    Sie schlug ihm die Phiole aus den Händen; sie flog quer über den Hof und zerschellte an der Hauswand. Reese sprang ihn an und schwang die Fäuste vor seinem Gesicht. Sie hatte einen harten Schlag, der ihn ins Taumeln brachte, und dann brach sich ihre Wut in einem wahren Sturm aus Hieben und Tritten Bahn.
    »Du hast es versprochen!«, schrie sie immer wieder. »Du hast versprochen, ihn zu beschützen!«
    Asch wehrte sich nicht einmal, als sie einen Spaten ergriff und damit auf ihn einschlug. Er fiel zu Boden und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Nur undeutlich verstand er die Worte, die aus ihrem Mund strömten. Es waren Worte der Anklage, jedes einzelne war gerechtfertigt, jedes einzelne wahr.
    Blut tropfte ihm in die Augen, und er konnte kaum mehr sehen. Er hörte das Rufen eines Mannes und spürte, wie starke Hände ihn packten. Asch blinzelte das Blut aus seinen Augen und sah das Gesicht von Loos, das auf ihn herunterstarrte. Reese saß inmitten ihrer hochgeschobenen Röcke auf dem Boden, schluchzte untröstlich, schlug auf die Erde ein und riss mit den Fingern ganze Klumpen heraus.
    »Du solltest jetzt besser gehen, alter Mann«, riet Loos ihm und half Asch aufzustehen.
    Asch taumelte und schwankte. Er wollte etwas zu Reese sagen und den Versuch machen, ihr die Trauer zu erleichtern. Aber er wusste, dass es keine Worte gab, die das bewirken konnten.
    Er ließ sie vernichtet zurück – wie die Tonphiole, deren Scherben im Matsch lagen.
    *
    Wolken ballten sich über ihm zusammen und verdunkelten den Herbsthimmel mit dem Versprechen weiteren Regens. Asch kam auf der Straße an Karren vorbei, die mit Waren und Familien beladen waren. Einzelne Reisende trugen ihr Gepäck auf dem Rücken; Viehherden wurden von mürrischen, Pfeife rauchenden Hirten angetrieben. Am frühen Nachmittag stieg er auf einen Hügel und sah die Bucht der Stürme und die Stadt Bar-Khos vor sich liegen.
    Er hatte den Eindruck, als wäre es viele Jahre her, seit er diese belagerte Stadt der Freien Häfen zum letzten Mal besucht hatte. Doch es waren nur wenige Monate vergangen, seit er hier mit der Falke festgemacht hatte, weil das Luftschiff Reparaturen benötigt hatte. Damals war es zu der schicksalhaften Begegnung mit Nico gekommen.
    Eine steife Brise blies von der See über die zerklüftete Küste, hinter der die schaumgekrönten Wellen der Bucht wogten. Er sah den Lansweg, der in die Bucht hinausführte, und die dunklen, von Rauch umwölkten Mauern des Schildes. Darin zuckte immer wieder das Feuer von Kanonen auf.
    Von allen Städten kehre ich ausgerechnet in diese zurück, dachte er. Es sollte Nico sein, der mit ein paar Narben und einem Dutzend Geschichten herkommt, nicht ich .
    Asch trottete über die belebte Straße auf das östliche Torhaus zu. Rechts von ihm befand sich der Luftschiffhafen der Stadt mit den flatternden Windsäcken und den

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