Im Auftrag der Rache
Bar-Khos, die von Ost nach West an der Küstenlinie entlang durch die gesamte Stadt verlief. Die Hochkönigsstraße kreuzte die Einmündung des Lansweges, jener kleinen Landzunge, die zum fernen südlichen Kontinent führte und auf dem sich hintereinander die Mauern des Schildes erhoben. Die Straße gab hier auch einen Blick auf Allernarren frei, jenes Viertel, das dem Schild am nächsten lag und das einzige bewohnte Gebiet auf der Landenge war. Inzwischen platzte es vor Flüchtlingen aus allen Nähten. Jenseits dieses Viertels lag der Kanal, der den Lansweg durchschnitt und beide Häfen miteinander verband, und dahinter entstand die neue Mauer, die noch von Tyrills Wall überragt wurde, der sich steil und hoch wie eine Klippe erhob und dessen wahre Größe erst deutlich wurde, wenn gelegentlich der kleine Fleck eines Rotgardisten auf dem Wehrgang patrouillierte.
Zögerlich trottete Bahm darauf zu.
*
Das Niemandsland zwischen den Mauern bestand aus verkohlten hölzernen Stegen und eingesackten Armeezelten, die rechts und links von den Meeresmauern und vorn und hinten von den höheren Mauern des Schildes begrenzt wurden, so dass in dem Raum dazwischen die Akustik und das Licht eines tiefen Talkessels herrschten. Das Chaos des Stadtlebens war hier durch Disziplin und die raue Stimmung von Männern ersetzt, die jeden Tag auf den Wällen und unter ihnen kämpften.
Eine ganze Armee war an diesem Ort zwischen den beiden vordersten Bollwerken des Schildes stationiert. Bahn trat aus einem Ausfalltor in der vorletzten Mauer hervor und fand sich im Hauptmilitärlager des Krieges wieder. Vor ihm erhob sich Kharnosts Mauer. Sie war das Einzige, das sich zwischen ihm und der Vierten Reichsarmee auf der anderen Seite befand.
Eine ganze schwere Infanterie übte trotz der mittäglichen Hitze in Formation. Die Sergeanten brüllten ihre Kommandos für die Manöver, die sie geschickt durchliefen. Er sah zu, wie die Phalanx der Männer unter Fußstampfen stehen blieb und die vordere Reihe die Speere mit den glitzernden Spitzen senkte, während sie einen kollektiven Schrei ausstießen. Rotgardisten und Freiwillige der Liga schritten zwischen den Zelten umher. Sonderkommandos hielten sich in der Nähe der Türme auf, die sich über den Gruben erhoben, durch die man in die Tunnel unter Kharnosts Mauer gelangte. Dort arbeiteten die Belagerungsingenieure in der finsteren Erde und kämpften die Sonderkommandos, wenn es nötig wurde.
Bei den Kantinenzelten hatte sich eine Gruppe von Graujacken und Freiwilligen bis auf die Hosen ausgezogen und spielte Kreuz. Oberst Halahan war bei ihnen und rauchte seine Pfeife, während er in seiner einfachen grauen Uniform dastand und seiner Brigade bisweilen Kommandos zubrüllte. Die Männer waren allesamt Ausländer: Nathaleser, Pathier, Tilaner, und manche kamen aus noch ferneren Gegenden. Ihm gegenüber versuchte der Befehlshaber der Freiwilligen seine Männer anzuspornen, indem er über ihre Fehler lachte.
Die Freiwilligen waren Kämpfer von Minos und den anderen Inseln der Demokras. Sie hielten sich nicht zurück und fluchten über ihren spottenden Offizier in einer Weise, die Bahm immer wieder verblüffte, wenn er es bemerkte. Eine solch lockere Haltung wäre in der strengen Hierarchie der khosischen Armee niemals erlaubt. Wie die Graujacken, gegen die sie antraten, hatten diese Männer keine Vorgesetzten außer denen, die sie wirklich respektierten; sie konnten sogar ihre Offiziere mit einer einzigen Handbewegung entlassen und ersetzen, wenn sie keinen Respekt mehr vor ihnen hatten.
Halahan hob die Hand, als er Bahm sah, und Bahm nickte dem alten nathalesischen Veteranen zu. »Oberst Halahan«, rief er zum Gruß. »Ihr seht gut aus.«
»Du bist ein verflucht schlechter Lügner, Bahm«, rief der Veteran zurück, als einer seiner Männer vor ihm zu Boden gestoßen wurde und knurrend einen Kampf anzetteln wollte.
Bahm befand sich bereits im Schatten von Kharnosts Mauer, lange bevor er sie erreicht hatte. Die Kanonen auf den Wehrgängen hoch oben schwiegen, aber Scharfschützen feuerten hin und wieder auf den Feind.
Heute Nachmittag war Bahm hergekommen, weil er die Bresche in der Mauer untersuchen wollte – jenen Teil, der im vergangenen Monat eingestürzt war, nachdem er von den Reichstruppen unterhöhlt worden war, und um den eine Woche lang hart gekämpft worden war, bis die Verteidiger es geschafft hatten, die Lücke mit Schutt aufzufüllen.
Dieser helle Keil aus Geröll, der den
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