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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Col Buchanan
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schossen sie durch das aufgewühlte Wasser, und alle Augen waren auf das ferne Land hinter ihnen gerichtet.
    »Dieser Narr von Lucian und seine Rebellen«, spuckte ein kleiner, kahlköpfiger Mann aus, während er sich mit schwarzen Augen umsah. »Er hat uns das eingebrockt, und seine Seele soll verdammt dafür sein. Verdammt sei deine Seele, sage ich! «, brüllte er und schüttelte die Faust dem Land entgegen.
    Der Rest der Gruppe saß schweigend da. Die Menschen sahen zu, wie ihre Heimat in der Ferne verblasste.
    Der alte Skipper rief ein Kommando. Der Junge am Ruder drehte das Boot so, dass die Sonne sich hinter es schob.
    Langsam beruhigte sich der Kahlköpfige wieder. Er murmelte noch etwas und war bald ganz still. Dann schluchzte er eine Weile, und die anderen Männer sahen verlegen weg. Nun fing auch eine Frau nach der anderen zu weinen an, während Löckchen über die Reling starrte und noch immer wie betäubt war.
    »Du hast Glück gehabt, dass du über uns gestolpert bist«, sagte der Kahlköpfige, nachdem er sich die Augen getrocknet und neben sie gesetzt hatte. Löckchen wich vor seiner Berührung zurück. »Vielleicht hat dein Verbündeter auf dich aufgepasst?« Spöttisch kicherte er in sich hinein.
    »Lass das Mädchen in Ruhe«, fuhr ihn der alte Skipper an. Der Mann sah ihn finster an, aber er gehorchte.
    Löckchen hörte, wie sich die Frauen neben ihr unterhielten.
    »Wohin segeln wir?«, fragte die jüngste.
    »Zu den Freien Häfen«, antwortete die älteste. »Noch sind sie frei. Und sie sind Flüchtlingen nicht so feindlich gesonnen wie Zanzahar.«
    Flüchtlinge . Löckchen drehte das Wort auf der Zunge hin und her. Das waren sie nun also. Sie fand, dass es ein kleines Wort für eine so bedeutende Sache war.
    Löckchen schaute zurück auf die Insel Lagos, die kaum mehr als ein verschwommener Fleck am Horizont war. In der Hand hielt sie das Stück Holz, das ihr Verbündeter war, und rieb mit dem Daumen darüber, während der scharfe Wind bis in ihr Innerstes blies und ihr Herz durchbohrte.
    *
    »Jetzt reicht es. Ich will nicht, dass die Kinder dich hören«, sagte Rosa mit übertriebener Heftigkeit und rannte zur Küchentür. Nachdem sie diese geschlossen hatte, machte sie sich wieder daran, die Kleidung der Kinder auf dem Tisch zu falten.
    »Was?«, rief Löckchen, die ihr gegenübersaß und die Frau bei der Arbeit beobachtete. Verärgert sah sie durch das Fenster auf einige der halbwilden Straßenkinder, die im Hinterhof Straßenraub spielten.
    Rosas Bewegungen waren steif und voller Zorn. Der Tisch bebte, wenn die Frau sich mit ihrem Gewicht darauf abstützte; die Beine klapperten gegen den hölzernen Boden und zeugten deutlich von ihrer Aufregung. Sie waren allein im Raum. Das Frühstück war schon lange vorbei. Rosa hatte es kurz nach Sonnenaufgang serviert, und die verschiedenen Mieter hatten ihre kleinen Portionen Haferschleim unter dem Lärm der Kanonen auf dem nahen Lansweg eingenommen und nur von Invasion und Krieg gesprochen. Selbst jetzt noch schien der große Esstisch auf der anderen Seite des Raumes Löckchen stumm anzuklagen. Sie betrachtete ihn mit Abscheu. Das schmutzige Öltuch darauf wurde nie abgenommen, auch nicht beim Essen, und die benutzten Schalen und Teller sowie das Besteck der Mieter befanden sich noch darauf. Heute Morgen war es Löckchens Aufgabe, den Tisch abzuräumen. Doch sie brachte es einfach nicht über sich, damit anzufangen.
    »Ich sage nur, was ich gehört habe«, meinte sie.
    »Ob wir diese Dinge wissen oder nicht, macht keinen Unterschied; sie passieren sowieso. Wir werden noch früh genug herausfinden, ob diese Ungeheuer die Mauern einreißen und uns holen kommen. Aber bis dahin lässt du uns bitte in Ruhe. Wir wollen so lange wie möglich in Frieden leben.«
    Löckchen zupfte an einem losen Faden ihrer Leinenbluse und hielt den Mund. Das war allerdings nicht leicht, denn ihr Blut summte noch im Nachklang der Ekstase, und ihr Mund wollte nichts anderes, als ein Schwätzchen halten.
    »Ich denke darüber nach, mich als Freiwillige zu melden.«
    Die Frau brach in Gelächter aus. »O Löckchen, du bringst mich zum Lachen!«
    Löckchen bemerkte, dass sie rot im Gesicht wurde. »Was? Ich meine nicht, dass ich kämpfen will. Aber sie brauchen auch Leute für andere Dinge. Köche … und so.«
    Rosa hörte auf zu lachen und warf ein gefaltetes Nachthemd in einen Korb, der auf dem Boden stand. Dann nahm sie das letzte frisch gewaschene Nachthemd auf und atmete

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