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Im Auftrag der Rache

Im Auftrag der Rache

Titel: Im Auftrag der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Col Buchanan
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den Lederriemen mit einem letzten Ruck stramm und legte seine ganze Frustration in diese Bewegung. Er betrachtete sein Werk, holte tief Luft und wandte sich wieder seiner Frau zu.
    »Es ist Zeit zu gehen.«
    Marlee nickte und machte ein ausdrucksloses Gesicht. Sie behielt die Fassung um ihrer beider willen.
    In den letzten Wochen hatte er sich in Gegenwart seiner Frau unwohl gefühlt. Seine Schuldgefühle trieben ihn oft dazu, an Löckchen zu denken, und er fühlte sich unbehaglich, wenn seine Frau ihn ansah. Es war ihm, als ob sie ihn durchschaute.
    Nun aber erwiderte er ihren Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Marlee schlang ihm die Arme um den Hals, während er die Hände um ihre schlanke Hüfte gelegt hatte. Ihre Nasen berührten sich.
    »Ich liebe dich«, sagte er zu ihr.
    »Und ich liebe dich auch, mein süßer Mann.«
    In ihren Augen zeigte sich das Glitzern von Tränen.
    Er drückte sie eng an sich und presste sie gegen seine Rüstung. Am liebsten hätte er sie nie wieder losgelassen.
    Ich habe diese Frau nicht verdient , dachte er verbittert.
    Die Kinder schliefen bereits im Haus. Bahm hatte seine kleine Tochter auf die Stirn geküsst und einige Worte mit seinem verschlafenen Sohn gewechselt, der ebenfalls schon im Bett gelegen hatte. Er konnte das, was er bei seiner hastigen Heimreise auf den Straßen gesehen hatte, einfach nicht abschütteln. Die Menschen hatten die Kolonnen von Soldaten und alten Molari angefeuert, die auf die nördlich gelegenen Tore zumarschiert waren; sie hatten ihnen Glück gewünscht und Talismane sowie kleine Essenspakete und Schnapsflaschen zugesteckt. Einige – sogar alte Männer – hatten beim Anblick der Krieger geweint, als sie die entschlossenen Gesichter sahen und wussten, wohin diese Männer unterwegs waren.
    Wir können es schaffen , hatte Bahm gedacht, als seine eigenen Gefühle im Einklang mit dem Geist der Masse gewesen waren. Wenn wir zusammenhalten, können wir es durchstehen .
    Als er aber auf seinem Weg durch die Nebengassen, auf denen er besser vorankam, zahllose Menschen mit ihren Habseligkeiten auf den Hafen zulaufen sah, weil sie hofften, die Insel verlassen zu können, hatte er sie beneidet.
    Auf den Mauern befanden sich frische Schmierereien, die wie in Blut ausgeführt schienen. Das Fleisch ist stark. Ergebt euch, und ihr werdet frei sein . Das war das Werk von mhannischen Agitatoren, die nun, da die Stadt wirklich verwundbar war und die Mehrheit ihrer Streitkräfte abrückte, wieder auftauchten.
    Als er mit Marlee im Arm dastand, verspürte Bahm wieder einmal den Drang, seine Frau zu packen, sie zu schütteln und ihr zu sagen: Um Himmels willen, nimm die Kinder und versuch zu fliehen! Aber er würde es niemals über sich bringen, diese Worte auszusprechen. Nicht gegenüber Marlee, dieser starken Frau, deren Vater am ersten Tag der Belagerung bei der Verteidigung der Stadt gefallen war. Sie würde Nein sagen, nein und wieder nein, und dann würde sie von ihm als Gemahl und Mann nicht mehr so viel halten.
    »Pass auf sie auf«, war alles, was er in ihr weiches, dichtes Haar flüstern konnte.
    »Natürlich«, flüsterte sie. »Und mir musst du versprechen, dass du vorsichtig bist.«
    »Das werde ich.«
    Trotz ihrer beruhigenden Worte küssten sie sich lange, heftig und verzweifelt, als ob sie sich nie wieder sehen würden.
    *
    Asch stand auf dem noch immer rauchenden Hügel inmitten der Trümmer und Asche, die von dem kleinen Fischerdorf übrig geblieben waren, und schaute hinunter auf eine Reihe von abgeschnittenen Penissen, die wie vergessenes Kinderspielzeug im Sand lagen.
    In der Nähe ruhten die verkohlten Eigentümer dieser Körperteile inmitten eines eingestürzten Stalles. Asch hatte bemerkt, dass sich auch kleinere Leichen unter ihnen befanden: Kinder und sogar Neugeborene.
    Von den Frauen war nichts zu sehen.
    Nicht zum ersten Mal in Aschs langem Leben dachte er, dass der Tod immer gleich roch, egal ob es sich um einen Menschen, ein Zel oder einen Hund handelte. Asch hatte in seiner Zeit bei der Revolutionären Volksarmee schon Ähnliches gesehen. Der lange Krieg in seinem Heimatland hatte das Mitleid aus den Herzen vieler Menschen verbannt. Freunde von ihm waren vor Schmerz verrückt oder einfach nur hart und grausam geworden, so wie er selbst, während diejenigen, die schon immer einen Zug der Brutalität in sich getragen hatten, frei und ungehindert durch die Kriegslandschaft gezogen waren, in der es keinerlei Beschränkungen mehr für sie

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