Im Auftrag der Väter
Eigentümer des Hauses ein merkwürdiges Ultimatum gestellt hatte. Einen Mann, der zu allem entschlossen wirkte und einen Psalmvers zitiert hatte. Der gebrochen Deutsch sprach und ursprünglich vielleicht gekommen war, um zu töten – vielleicht aber auch nicht.
»Wir wissen immer noch nicht, wie er rein ist, oder?«, fragte Mats Benedikt. Er hatte sich die Brille auf die Stirn geschoben, strich sich mit zwei Fingern über den dunklen Schnurrbart. Louise war gespannt auf die Zusammenarbeit mit ihm. Bob hatte ihn vor ein paar Monaten aus Karlsruhe geholt. Ein Oberkommissar mit tadellosem Ruf und Benehmen. Weiche braune Augen, konzentriert, mittelgroß, schlank. Spezialisiert auf Staatsschutz, geparkt im D 11 , weil im D 13 keine Planstelle frei war.
Bobs Mann? Und wenn schon.
»Nein.«
Mats Benedikt nickte nachdenklich. »Er hätte sich die Frau vornehmen können oder Philip.«
»Hat er aber nicht. Wollte er nur was klauen und ist dabei auf den Vater gestoßen? Oder wollte er zum Vater?«
»Der Vater sagt, er kennt ihn nicht.«
»Umgekehrt würde genügen.«
»Ja«, sagte Mats Benedikt.
»Wie soll das gehen?«, fragte Alfons Hoffmann.
»Vielleicht ein unzufriedener Kunde«, warf Anne Wallmer ein.
Alfons Hoffmann stieß ein zärtliches Schnauben aus. »›Kunde‹ ist schön.« Paul Niemann arbeitete im städtischen Amt für Bürgerservice und Informationsverarbeitung. Zuständigkeitsbereiche des Amtes: Meldewesen, Passwesen, Lohnsteuerwesen, Kfz-Wesen, Führerscheinanträge, Beratung zur Müllgebühr. Im Lauf der Jahre hatte er mit allen Bereichen zu tun gehabt, seit einem Jahr war er Gruppenleiter im Bereich Lohnsteuerwesen.
»Warum nicht?«, fragte Anne Wallmer bissig. Alle sahen sie an. Sie war bleicher als sonst, krummer als sonst, mürrischer als sonst. Anne Wallmer, von Kopf bis Fuß ein hochgezüchteter Muskel. Heute wirkte der Muskel übersäuert. »Glotzt nicht so.«
Louise schmunzelte. Noch ein Mensch mit Montagmorgenkoller.
»Warum nicht, ein unzufriedener Bürger«, sagte Mats Benedikt.
Sie schwiegen, dachten nach. Louise war dankbar dafür, dass keiner einen Müllwitz oder einen Führerscheinwitz machte. Eine Ermittlungsgruppe offenbar ohne die üblichen Profilierungsrituale – die zumeist Männerrituale waren.
»Wir sollten uns nicht nur auf den Vater konzentrieren«, sagte Alfons Hoffmann. »Vergessen wir die Mutter und die Kinder nicht.«
»Und wir sollten zu den Russen fahren«, sagte Anne Wallmer.
Louise nickte. Vielleicht einer von den Russen, hatte Paul Niemann zu Protokoll gegeben.
Sie drehte sich um, zog das Fenster auf Kippstellung. Der
Blick ging ein paar hundert Meter weit, dann war Ende. Kein Grün, kein Blau, kein
Licht.
Ein weiterer Tag, an dem das Grau nicht aufreißen würde.
Ein zäher Tag. Ein komischer Fall.
»Den Russen?«, fragte Mats Benedikt.
»Russlanddeutschen. Spätaussiedlern«, erklärte Alfons Hoffmann. »Wir haben in Freiburg ein paar, vor allem in Weingarten und draußen in Landwasser. Die Kollegen nennen sie ›Russen‹.«
»Alle nennen sie so«, sagte Anne Wallmer.
»Ich nicht.«
»Na, dann alle mit einer Ausnahme.«
»Ich bin zwei Ausnahmen.« Alfons Hoffmann klopfte sich auf den Bauch. Sie lachten. Der Bauch von Alfons Hoffmann reichte vom einen Ende des Raums bis zum anderen.
»Niemann hatte im Bürgerservice mit den Spätaussiedlern zu tun«, sagte Mats Benedikt. »Vielleicht kennen sie sich doch?«
»Wir kümmern uns um die Russen«, sagte Louise. »Aber erst sind die Familie, die Wohnsitzlosen und die Kollegen dran.«
Anne Wallmer sagte, dass sie zu wenige seien. Dass sie mehr Leute bräuchten, um überall hinfahren zu können, wo sie hinfahren müssten. Louise erwiderte, dass sie im Augenblick nicht mehr Leute bekämen. Sie zuckte die Achseln. Angeblich brachte die baden-württembergische Verwaltungsreform den Kripodienststellen keine Nachteile. In Wirklichkeit sah es natürlich anders aus. Weniger Geld, weniger Leute. Ganz zu schweigen davon, dass seltener Beförderungen ausgesprochen und die Gehälter seltener angepasst werden würden.
Sie verteilte die Aufgaben. Alfons Hoffmann bekam die
Niemann-Unterlagen, als Hauptsachbearbeiter war er für den Akt und die bürokratische Verarbeitung dessen zuständig, was ihm die anderen Mitglieder der Ermittlungsgruppe bringen würden, außerdem fürs Telefonieren. »Grundbuchamt, frühere Eigentümer des Grundstücks, du kennst das Programm.«
Alfons Hoffmann nickte. Er war zum
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