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Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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dafür immer wieder Neubauten in Weiß oder Gelb, bei manchen bestanden die Mauern aus unverputzten Ziegeln, wie sie es in Slawonien häufig gesehen hatte. Kein wohlhabender Ort, aber irgendwie wirkte er aufgeräumt und ganz zufrieden.
    Sie hielten auf der Hügelkuppe vor der Kirche. Erst jetzt wurde das Ausmaß des Dorfes deutlich. Kilometerweit zog es sich im Dezembergrau entlang schmaler Straßen über den Kamm.
    Während Ben Liebermann das Pfarrhaus suchte, ging Louise zu der wunderschönen orthodoxen Kirche, die aus allen Richtungen von weitem zu sehen sein musste. Sie erinnerte sich, dass Andreas Eisenstein erzählt hatte, im Zentrum des deutschen Dorfes habe sich das Zentrum des serbischen
Dorfes befunden, Kirche und Schule für die verstreuten serbischen Bauernhöfe. Dies musste die Kirche sein, von der er gesprochen hatte, frisch renoviert, gestrichen, vielleicht in Teilen neu gebaut.
    Sie hörte Ben Liebermanns Stimme, sah ihn vor einem Haus mit einem Mann sprechen. Der Mann deutete, Ben Liebermann deutete, irgendwo die Straße hinunter also.
    Ben Liebermann. Eine merkwürdige Geschichte. Man kannte sich gerade einmal zwei Tage, und doch waren Gefühle und Möglichkeiten und viele, viele Gedanken und Wünsche da.
    Man wusste so wenig vom anderen, aber vielleicht wusste man eben ein paar entscheidende Dinge.
    Eine merkwürdige, traurige Polizistin mit einem verrückten Vorhaben. Ein ausgebrannter Exkollege, der vom Krieg nicht loskam.
    Solche Dinge.
    Einfach nur das richtige Leben, die richtige Zeit?
     
    Die Kirche war auf drei Seiten von Gräbern umgeben. Keine Mauer, kein Zaun, wie selbstverständlich waren die Toten in die Hügelkuppe, ins Dorf, ins Leben der anderen Menschen hineingelegt worden. Ein friedvoller, stiller, schöner Ort. Ein Ort für Jenny Böhm, dachte sie, der Frieden der Toten und der Natur. Ein bizarrer Frieden, denn hier waren vermutlich auch die Mordopfer Biljana und Snježana beerdigt worden, und das Land rings um Štrpci war noch immer vom Krieg gezeichnet.
    Vielleicht besagte dieser Widerspruch auch nur, dass nicht allein das Erinnern wichtig war, sondern auch das Vergessen.
    Das Vergessen nach dem Erinnern.
     
    Sie musste nicht lange suchen. Ein einfacher schwarzer Grabstein, anders als bei fast allen anderen Gräbern ohne Fotografien der Toten, eingraviert nur zwei Namen und ein Datum,
Biljana

Snježana, 06 . 04 . 1999 .
    »Du passt nicht auf«, sagte Ben Liebermann dicht hinter ihr.
    Erschrocken fuhr sie herum.
    Er hatte recht. Sie hätte nach Antun Lončar Ausschau halten müssen und hatte es nicht getan.
    Sie war müde.
    Sie war es leid, irgendwo drinzustecken, ohne zu wissen, worin. Ohne zu wissen, wie sie wieder rauskommen sollte.
    »Verdammt, du passt nicht auf.«
    »Nein, ich passe nicht auf.«
    »Ja«, knurrte Ben Liebermann.
    »Hast du das Grab gesehen?«
    »Ja, ja«, knurrte Ben Liebermann. »Komm jetzt.«
    Sie wandten sich ab, gingen Richtung Auto.
    »Was sagt der Pfarrer?«
    »Dass er neu ist und dass wir den Bürgermeister fragen sollen.«
    Sie stiegen ein.
    »Wir können nach Osijek zurückfahren, wenn du möchtest«, sagte Ben Liebermann. »Alles lassen, wie es ist, akzeptieren, was passiert ist, zurückfahren und vergessen. Möchtest du das?«
    »Nein.«
    »Dann pass verdammt nochmal auf.«
    Sie ließ den Motor an, sagte: »Ich wäre jetzt am liebsten allein.«
    »Dafür ist es zu spät.«
    »Ja. Aber wir gehen meinen Weg in meinem Rhythmus.«
    »Und wohin führt uns dein Weg?«
    Sie lächelte. »Zum Bürgermeister.«
     
    Der Bürgermeister zeigte sich misstrauisch und einsilbig, antwortete erst, nachdem Ben Liebermann ihm irgendeinen geheimnisvollen Ausweis gezeigt hatte. Er war klein, kräftig, hatte eine zu hohe Stimme, ausdruckslose Augen und sprach ohne jede Gestik und Mimik. Louise fragte sich, wer diesen unangenehmen Mann wählen mochte, aber vielleicht hatte er verborgene Qualitäten.
    Fünf Minuten verstrichen, Ben Liebermann fragte, wurde immer unruhiger, der Bürgermeister antwortete, wurde wieder einsilbiger. Dann trat er ins Haus zurück und schloss die Tür, und Ben Liebermann sagte: »Komm.«
     
    Im Auto erzählte er.
    Antun Lončar war hier. Nicht in Štrpci, aber in der Gegend, irgendwo in einer Hütte in den Wäldern, und manchmal kam er ins Dorf, ging zu dem Haus, in dem er gelebt hatte, zum Grab seiner Frau und seiner Tochter. Dann verschwand er wieder, niemand wusste, wohin. Manchmal blieb er für Wochen weg, dann war er plötzlich

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